nen Geister: So werdet ihr mir denn auch jetzt verzeihen, wenn ich euch nicht die rechte Titel gege- ben. Denn wie solten sich dergleichen grosse Ti- tel vor euch kleine Geister schicken, da sie von rechtswegen nur vor grosse Geister gehören. Doch ich mercke, daß ihr denen, die hinter mir mit Schwerdten und mit Stangen stehen, wincket. Jhr werdet euch doch wohl nicht an meiner Person vergreifen, und da ich jetzo nur als ein Gast bey euch bin, nicht das Gast-Recht verletzen wollen? Um aber allem Uebel vorzubauen, wo ihr vieleicht Feinde der Critic wäret, will ich gerne über eure übrige Gesetze nicht raisonniren, sondern sie zu meiner Nachricht abschreiben. Es heisset also euer drittes Gesetz, wo ich anders recht lese; Bleibe bey dem alten Schlen- drian, und ob gleich die deutsche Sprache ihre gantz eigentliche Regel hat, so binde dich doch an die Regeln der Lateinischen und Griechischen Rede- Kunst eines Cicero und Demostenes.
Zum vierdten; Hüte dich vor einem fruchtbah- ren Vortrag nützlicher Wahrheiten, damit du nicht die Weißheit verschwendest, sondern rede lieber von einerley mit vielen gleichgültigen Worten, solte auch aus dem, was du in wenig Seiten sagen könntest, vier gestopfte Bogen gleich voll werden.
Fünftens: Rede fein natürlich, daß dich ein jeder verstehet. So! So! nun sehe ich erst, warum euer jüngster Lob-Rednerpag. 58. auf so natürliche Weise mein Helden-Gedichte mit einem Ochsen-Käufer vergleichet, der aus dem Hin- tertheil von der Güte urtheile; desgleichen in ei-
ner
(o)
nen Geiſter: So werdet ihr mir denn auch jetzt verzeihen, wenn ich euch nicht die rechte Titel gege- ben. Denn wie ſolten ſich dergleichen groſſe Ti- tel vor euch kleine Geiſter ſchicken, da ſie von rechtswegen nur vor groſſe Geiſter gehoͤren. Doch ich mercke, daß ihr denen, die hinter mir mit Schwerdten und mit Stangen ſtehen, wincket. Jhr werdet euch doch wohl nicht an meiner Perſon vergreifen, und da ich jetzo nur als ein Gaſt bey euch bin, nicht das Gaſt-Recht verletzen wollen? Um aber allem Uebel vorzubauen, wo ihr vieleicht Feinde der Critic waͤret, will ich gerne uͤber eure uͤbrige Geſetze nicht raiſonniren, ſondern ſie zu meiner Nachricht abſchreiben. Es heiſſet alſo euer drittes Geſetz, wo ich anders recht leſe; Bleibe bey dem alten Schlen- drian, und ob gleich die deutſche Sprache ihre gantz eigentliche Regel hat, ſo binde dich doch an die Regeln der Lateiniſchen und Griechiſchen Rede- Kunſt eines Cicero und Demoſtenes.
Zum vierdten; Huͤte dich vor einem fruchtbah- ren Vortrag nuͤtzlicher Wahrheiten, damit du nicht die Weißheit verſchwendeſt, ſondern rede lieber von einerley mit vielen gleichguͤltigen Worten, ſolte auch aus dem, was du in wenig Seiten ſagen koͤnnteſt, vier geſtopfte Bogen gleich voll werden.
Fuͤnftens: Rede fein natuͤrlich, daß dich ein jeder verſtehet. So! So! nun ſehe ich erſt, warum euer juͤngſter Lob-Rednerpag. 58. auf ſo natuͤrliche Weiſe mein Helden-Gedichte mit einem Ochſen-Kaͤufer vergleichet, der aus dem Hin- tertheil von der Guͤte urtheile; desgleichen in ei-
ner
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nen Geiſter: So werdet ihr mir denn auch jetzt
verzeihen, wenn ich euch nicht die rechte Titel gege-
ben. Denn wie ſolten ſich dergleichen groſſe Ti-
tel vor euch kleine Geiſter ſchicken, da ſie von
rechtswegen nur vor groſſe Geiſter gehoͤren. Doch
ich mercke, daß ihr denen, die hinter mir mit
Schwerdten und mit Stangen ſtehen, wincket.
Jhr werdet euch doch wohl nicht an meiner Perſon
vergreifen, und da ich jetzo nur als ein Gaſt bey euch
bin, nicht das Gaſt-Recht verletzen wollen? Um aber
allem Uebel vorzubauen, wo ihr vieleicht Feinde der
Critic waͤret, will ich gerne uͤber eure uͤbrige Geſetze
nicht raiſonniren, ſondern ſie zu meiner Nachricht
abſchreiben. Es heiſſet alſo euer drittes Geſetz, wo
ich anders recht leſe; Bleibe bey dem alten Schlen-
drian, und ob gleich die deutſche Sprache ihre
gantz eigentliche Regel hat, ſo binde dich doch an
die Regeln der Lateiniſchen und Griechiſchen Rede-
Kunſt eines Cicero und Demoſtenes.
Zum vierdten; Huͤte dich vor einem fruchtbah-
ren Vortrag nuͤtzlicher Wahrheiten, damit du
nicht die Weißheit verſchwendeſt, ſondern rede
lieber von einerley mit vielen gleichguͤltigen
Worten, ſolte auch aus dem, was du in wenig
Seiten ſagen koͤnnteſt, vier geſtopfte Bogen
gleich voll werden.
Fuͤnftens: Rede fein natuͤrlich, daß dich ein
jeder verſtehet. So! So! nun ſehe ich erſt,
warum euer juͤngſter Lob-Redner pag. 58. auf ſo
natuͤrliche Weiſe mein Helden-Gedichte mit einem
Ochſen-Kaͤufer vergleichet, der aus dem Hin-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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