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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Eine solche
Bet-Art ist
abergläu-
bisch, und
fliesset
nicht aus
den Lehren
unserer
Kirchen.

Solte es nun aber eine so grosse Sünde seyn,
daß der Verfasser des Briontes von Leuten et-
was hönisch redet, die so übel in ihrem Chri-
stenthum unterrichtet sind, daß sie glauben, sie
müsten nothwendig die Sprache Canaans mit
GOtt reden, und ihr Gebet werde nicht erhö-
ret, wo sie nicht ihres Hertzens Anliegen mit
solchen Worten vortrügen, deren sich ehedes-
sen der König David auch bedienet? Jch
glaube es nicht: Denn eine solche Einbildung
setzt einen nicht geringen Aberglauben voraus,
und aller Aberglaube ist lächerlich. Jch weiß
wohl, unsere GOttes-Gelehrten rathen, man
solle, so viel möglich mit Worten der Schrift
reden, wenn man betet. Allein dieser Rath, wie
gut und vernünftig er auch an sich seyn mag, ist
doch kein Gesetze. Er verbindet niemand, so
lange unsere GOttes-Gelehrte den Worten
der Schrift noch keine magische Kraft beyle-
gen; und ich wüste nicht eine Lehre unserer Kir-
che, aus welcher die Nothwendigkeit einer so
gezwungenen Art zu beten fliessen sollte.

Unschuld
und wahre
Absicht des
Verfassers
des Brion-
tes.

Der Verfasser des Briontes ist demnach
weder ein Lügner, noch ein Ketzer wenn er
spricht: daß er mit GOtt reden könne ohne
daß er nöhtig habe, den Psalter und die Of-
fenbahrung Johannis auszuplündern. Er
redet auch nicht überhaupt von denen verächt-
lich, die mit Worten der Schrift beten. Jch
sehe nicht warum man ihn in dem Verdacht
haben will, als wenn er allen Gebrauch bibli-
scher Redens-Arten vor unerlaubt und thörigt

ausge-
(o)
Eine ſolche
Bet-Art iſt
aberglaͤu-
biſch, und
flieſſet
nicht aus
den Lehren
unſerer
Kirchen.

Solte es nun aber eine ſo groſſe Suͤnde ſeyn,
daß der Verfaſſer des Briontes von Leuten et-
was hoͤniſch redet, die ſo uͤbel in ihrem Chri-
ſtenthum unterrichtet ſind, daß ſie glauben, ſie
muͤſten nothwendig die Sprache Canaans mit
GOtt reden, und ihr Gebet werde nicht erhoͤ-
ret, wo ſie nicht ihres Hertzens Anliegen mit
ſolchen Worten vortruͤgen, deren ſich ehedeſ-
ſen der Koͤnig David auch bedienet? Jch
glaube es nicht: Denn eine ſolche Einbildung
ſetzt einen nicht geringen Aberglauben voraus,
und aller Aberglaube iſt laͤcherlich. Jch weiß
wohl, unſere GOttes-Gelehrten rathen, man
ſolle, ſo viel moͤglich mit Worten der Schrift
reden, wenn man betet. Allein dieſer Rath, wie
gut und vernuͤnftig er auch an ſich ſeyn mag, iſt
doch kein Geſetze. Er verbindet niemand, ſo
lange unſere GOttes-Gelehrte den Worten
der Schrift noch keine magiſche Kraft beyle-
gen; und ich wuͤſte nicht eine Lehre unſerer Kir-
che, aus welcher die Nothwendigkeit einer ſo
gezwungenen Art zu beten flieſſen ſollte.

Unſchuld
und wahre
Abſicht des
Verfaſſers
des Brion-
tes.

Der Verfaſſer des Briontes iſt demnach
weder ein Luͤgner, noch ein Ketzer wenn er
ſpricht: daß er mit GOtt reden koͤnne ohne
daß er noͤhtig habe, den Pſalter und die Of-
fenbahrung Johannis auszupluͤndern. Er
redet auch nicht uͤberhaupt von denen veraͤcht-
lich, die mit Worten der Schrift beten. Jch
ſehe nicht warum man ihn in dem Verdacht
haben will, als wenn er allen Gebrauch bibli-
ſcher Redens-Arten vor unerlaubt und thoͤrigt

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[230/0322] (o) Solte es nun aber eine ſo groſſe Suͤnde ſeyn, daß der Verfaſſer des Briontes von Leuten et- was hoͤniſch redet, die ſo uͤbel in ihrem Chri- ſtenthum unterrichtet ſind, daß ſie glauben, ſie muͤſten nothwendig die Sprache Canaans mit GOtt reden, und ihr Gebet werde nicht erhoͤ- ret, wo ſie nicht ihres Hertzens Anliegen mit ſolchen Worten vortruͤgen, deren ſich ehedeſ- ſen der Koͤnig David auch bedienet? Jch glaube es nicht: Denn eine ſolche Einbildung ſetzt einen nicht geringen Aberglauben voraus, und aller Aberglaube iſt laͤcherlich. Jch weiß wohl, unſere GOttes-Gelehrten rathen, man ſolle, ſo viel moͤglich mit Worten der Schrift reden, wenn man betet. Allein dieſer Rath, wie gut und vernuͤnftig er auch an ſich ſeyn mag, iſt doch kein Geſetze. Er verbindet niemand, ſo lange unſere GOttes-Gelehrte den Worten der Schrift noch keine magiſche Kraft beyle- gen; und ich wuͤſte nicht eine Lehre unſerer Kir- che, aus welcher die Nothwendigkeit einer ſo gezwungenen Art zu beten flieſſen ſollte. Der Verfaſſer des Briontes iſt demnach weder ein Luͤgner, noch ein Ketzer wenn er ſpricht: daß er mit GOtt reden koͤnne ohne daß er noͤhtig habe, den Pſalter und die Of- fenbahrung Johannis auszupluͤndern. Er redet auch nicht uͤberhaupt von denen veraͤcht- lich, die mit Worten der Schrift beten. Jch ſehe nicht warum man ihn in dem Verdacht haben will, als wenn er allen Gebrauch bibli- ſcher Redens-Arten vor unerlaubt und thoͤrigt ausge-

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/322>, abgerufen am 03.05.2024.