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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
türlichen Beredsamkeit: Und mich deucht, daß dieses
Steigen und Fallen einer Rede eine grosse Anmuht
giebt, und füglich mit denen Dissonantzen in der Mu-
sic verglichen werden könne. Laß demnach, O!
theurer Philippi, die eckele Welt die Nase rüm-
pfen. Laß den längst vermoderten Grillenfänger Lon-
gin schwatzen was er will. Behaupte du deine Rech-
te: Rede wie es einem natürlichen, männlichen und
heroischen Redner zustehet, und scheue den Teufel
nicht.

Mich deucht, Meine Herren, ich sehe aus Dero
huldreichen Augen die stille Zufriedenheit hervorleuch-
ten, mit welcher Sie die Seltenheiten betrachten, die
ich Jhnen vorzutragen die Ehre habe. Verzeihen
Sie mir demnach, daß ich Sie darinnen stöhre, und
durch einen etwas verdrießlichen Vortrag unru-
higere Bewegungen in ihren huldreichen Hertzen
errege.

Es giebt Leute, Meine Herren, die, weil sie nicht
ergründen können, warum der Herr Prof. Philippi
die Zehe, von welcher Er redet, einen entbehrli-
chen Rest
genennet hat, die Ausdrückung entsetzlich
aushöhnen. "Ein Rest, sprechen sie, ist dasjenige,
"das von einer verlohrnen oder vernichteten Sache
"übrig bleibet. Wenn also der Herr Prof. Philippi
"nicht im höchsten Grad kauderwelsch reden will, so
"muß Er behaupten, daß von seinem Könige nichts
"mehr, als die eine Zehe übrig sey. Glaubt er das nun,
"so steht es ihm sehr übel, daß Er diesen Rest eines
"grossen Königes einen entbehrlichen oder unnützen
"Rest nennet. Er müste auf diesem Fall die noch

"übrige

(o)
tuͤrlichen Beredſamkeit: Und mich deucht, daß dieſes
Steigen und Fallen einer Rede eine groſſe Anmuht
giebt, und fuͤglich mit denen Diſſonantzen in der Mu-
ſic verglichen werden koͤnne. Laß demnach, O!
theurer Philippi, die eckele Welt die Naſe ruͤm-
pfen. Laß den laͤngſt vermoderten Grillenfaͤnger Lon-
gin ſchwatzen was er will. Behaupte du deine Rech-
te: Rede wie es einem natuͤrlichen, maͤnnlichen und
heroiſchen Redner zuſtehet, und ſcheue den Teufel
nicht.

Mich deucht, Meine Herren, ich ſehe aus Dero
huldreichen Augen die ſtille Zufriedenheit hervorleuch-
ten, mit welcher Sie die Seltenheiten betrachten, die
ich Jhnen vorzutragen die Ehre habe. Verzeihen
Sie mir demnach, daß ich Sie darinnen ſtoͤhre, und
durch einen etwas verdrießlichen Vortrag unru-
higere Bewegungen in ihren huldreichen Hertzen
errege.

Es giebt Leute, Meine Herren, die, weil ſie nicht
ergruͤnden koͤnnen, warum der Herr Prof. Philippi
die Zehe, von welcher Er redet, einen entbehrli-
chen Reſt
genennet hat, die Ausdruͤckung entſetzlich
aushoͤhnen. “Ein Reſt, ſprechen ſie, iſt dasjenige,
„das von einer verlohrnen oder vernichteten Sache
„uͤbrig bleibet. Wenn alſo der Herr Prof. Philippi
„nicht im hoͤchſten Grad kauderwelſch reden will, ſo
„muß Er behaupten, daß von ſeinem Koͤnige nichts
„mehr, als die eine Zehe uͤbrig ſey. Glaubt er das nun,
„ſo ſteht es ihm ſehr uͤbel, daß Er dieſen Reſt eines
„groſſen Koͤniges einen entbehrlichen oder unnuͤtzen
„Reſt nennet. Er muͤſte auf dieſem Fall die noch

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[182/0274] (o) tuͤrlichen Beredſamkeit: Und mich deucht, daß dieſes Steigen und Fallen einer Rede eine groſſe Anmuht giebt, und fuͤglich mit denen Diſſonantzen in der Mu- ſic verglichen werden koͤnne. Laß demnach, O! theurer Philippi, die eckele Welt die Naſe ruͤm- pfen. Laß den laͤngſt vermoderten Grillenfaͤnger Lon- gin ſchwatzen was er will. Behaupte du deine Rech- te: Rede wie es einem natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroiſchen Redner zuſtehet, und ſcheue den Teufel nicht. Mich deucht, Meine Herren, ich ſehe aus Dero huldreichen Augen die ſtille Zufriedenheit hervorleuch- ten, mit welcher Sie die Seltenheiten betrachten, die ich Jhnen vorzutragen die Ehre habe. Verzeihen Sie mir demnach, daß ich Sie darinnen ſtoͤhre, und durch einen etwas verdrießlichen Vortrag unru- higere Bewegungen in ihren huldreichen Hertzen errege. Es giebt Leute, Meine Herren, die, weil ſie nicht ergruͤnden koͤnnen, warum der Herr Prof. Philippi die Zehe, von welcher Er redet, einen entbehrli- chen Reſt genennet hat, die Ausdruͤckung entſetzlich aushoͤhnen. “Ein Reſt, ſprechen ſie, iſt dasjenige, „das von einer verlohrnen oder vernichteten Sache „uͤbrig bleibet. Wenn alſo der Herr Prof. Philippi „nicht im hoͤchſten Grad kauderwelſch reden will, ſo „muß Er behaupten, daß von ſeinem Koͤnige nichts „mehr, als die eine Zehe uͤbrig ſey. Glaubt er das nun, „ſo ſteht es ihm ſehr uͤbel, daß Er dieſen Reſt eines „groſſen Koͤniges einen entbehrlichen oder unnuͤtzen „Reſt nennet. Er muͤſte auf dieſem Fall die noch „uͤbrige

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/274>, abgerufen am 26.11.2024.