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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
was von seinem Recht auf dasselbige verlohren ha-
be. Jch glaube also nicht, daß es eine Sünde
sey, sich desselben zu bedienen, und das um so viel
weniger, weil auch die andächtigsten alten Wei-
ber sich kein Gewissen darüber machen.

Was das anlanget, daß ich gesaget habe: Nie-
mand verachte meine Jugend: So möchte ich wohl
von den gewissenhafften Personen, die mir dieses
zur Sünde deuten, belehret seyn, wie ein Mensch,
der sagen will, man solle ihn seiner Jugend wegen
nicht verachten, seine Worte ordnen müsse, wenn
er sich nicht versündigen wil. Jch vor meine Per-
son wuste es nicht kurtzer und deutlicher auszudrü-
cken, und kan nicht davor, daß Luther eine gewisse
Stelle in den Briefen Pauli eben so übersetzet hat.
Jch halte es für eine gar zu grosse Beschwerlich-
keit, allezeit, wenn man etwas reden oder schreiben
will, die Nase in der Concordantz zu haben, um zu se-
hen, ob die Redens-Arten, der man sich bedienen
will, auch in der Bibel stehen. Meine heiligen
Richter müssen dieses thun, falls man nicht muth-
massen soll, daß es mit ihrem engen Gewissen nicht
viel zu bedeuten habe. Jch beklage sie desfals
und gehe weiter. Doch muß ich noch demjenigen
- - - hiatus in MSt. - - - Jch habe in meinen
Anmerckungen p. 18. gemuthmasset, Jesus Ana-
ni sey, weil er eines gemeinen Mannes Sohn ge-
wesen, zu Fusse nach Jerusalem gegangen: Die-
se Muthmassung will einem gelehrten und berühm-
ten Manne in Sachsen nicht gefallen. Er hat mir
die Ehre gethan, desfalls an mich zu schreiben,
und die Höflichkeit, mit welcher er meine Mey-

nung
J 2

(o)
was von ſeinem Recht auf daſſelbige verlohren ha-
be. Jch glaube alſo nicht, daß es eine Suͤnde
ſey, ſich deſſelben zu bedienen, und das um ſo viel
weniger, weil auch die andaͤchtigſten alten Wei-
ber ſich kein Gewiſſen daruͤber machen.

Was das anlanget, daß ich geſaget habe: Nie-
mand verachte meine Jugend: So moͤchte ich wohl
von den gewiſſenhafften Perſonen, die mir dieſes
zur Suͤnde deuten, belehret ſeyn, wie ein Menſch,
der ſagen will, man ſolle ihn ſeiner Jugend wegen
nicht verachten, ſeine Worte ordnen muͤſſe, wenn
er ſich nicht verſuͤndigen wil. Jch vor meine Per-
ſon wuſte es nicht kurtzer und deutlicher auszudruͤ-
cken, und kan nicht davor, daß Luther eine gewiſſe
Stelle in den Briefen Pauli eben ſo uͤberſetzet hat.
Jch halte es fuͤr eine gar zu groſſe Beſchwerlich-
keit, allezeit, wenn man etwas reden oder ſchreiben
will, die Naſe in der Concordantz zu haben, um zu ſe-
hen, ob die Redens-Arten, der man ſich bedienen
will, auch in der Bibel ſtehen. Meine heiligen
Richter muͤſſen dieſes thun, falls man nicht muth-
maſſen ſoll, daß es mit ihrem engen Gewiſſen nicht
viel zu bedeuten habe. Jch beklage ſie desfals
und gehe weiter. Doch muß ich noch demjenigen
‒ ‒ ‒ hiatus in MSt. ‒ ‒ ‒ Jch habe in meinen
Anmerckungen p. 18. gemuthmaſſet, Jeſus Ana-
ni ſey, weil er eines gemeinen Mannes Sohn ge-
weſen, zu Fuſſe nach Jeruſalem gegangen: Die-
ſe Muthmaſſung will einem gelehrten und beruͤhm-
ten Manne in Sachſen nicht gefallen. Er hat mir
die Ehre gethan, desfalls an mich zu ſchreiben,
und die Hoͤflichkeit, mit welcher er meine Mey-

nung
J 2
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[131/0223] (o) was von ſeinem Recht auf daſſelbige verlohren ha- be. Jch glaube alſo nicht, daß es eine Suͤnde ſey, ſich deſſelben zu bedienen, und das um ſo viel weniger, weil auch die andaͤchtigſten alten Wei- ber ſich kein Gewiſſen daruͤber machen. Was das anlanget, daß ich geſaget habe: Nie- mand verachte meine Jugend: So moͤchte ich wohl von den gewiſſenhafften Perſonen, die mir dieſes zur Suͤnde deuten, belehret ſeyn, wie ein Menſch, der ſagen will, man ſolle ihn ſeiner Jugend wegen nicht verachten, ſeine Worte ordnen muͤſſe, wenn er ſich nicht verſuͤndigen wil. Jch vor meine Per- ſon wuſte es nicht kurtzer und deutlicher auszudruͤ- cken, und kan nicht davor, daß Luther eine gewiſſe Stelle in den Briefen Pauli eben ſo uͤberſetzet hat. Jch halte es fuͤr eine gar zu groſſe Beſchwerlich- keit, allezeit, wenn man etwas reden oder ſchreiben will, die Naſe in der Concordantz zu haben, um zu ſe- hen, ob die Redens-Arten, der man ſich bedienen will, auch in der Bibel ſtehen. Meine heiligen Richter muͤſſen dieſes thun, falls man nicht muth- maſſen ſoll, daß es mit ihrem engen Gewiſſen nicht viel zu bedeuten habe. Jch beklage ſie desfals und gehe weiter. Doch muß ich noch demjenigen ‒ ‒ ‒ hiatus in MSt. ‒ ‒ ‒ Jch habe in meinen Anmerckungen p. 18. gemuthmaſſet, Jeſus Ana- ni ſey, weil er eines gemeinen Mannes Sohn ge- weſen, zu Fuſſe nach Jeruſalem gegangen: Die- ſe Muthmaſſung will einem gelehrten und beruͤhm- ten Manne in Sachſen nicht gefallen. Er hat mir die Ehre gethan, desfalls an mich zu ſchreiben, und die Hoͤflichkeit, mit welcher er meine Mey- nung J 2

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/223>, abgerufen am 26.04.2024.