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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
des Geistes wider die Ketzer zuführen. Jch könte
die allerhand lächerliche Unglücks-Fälle erzehlen,
die mir begegnet, seit der Zeit ich unter seinem
Fluch gestanden; und wenn ich der Mann wäre,
wovor er mich hält, so thäte ich es. Allein ich bin
ein Feind von solchen Thorheiten, und will mir
die Freyheit nehmen, dem Hn. Mag. seine Uber-
eilung im Ernst vorzustellen. Jch werde dieses,
obgleich der Schimpf, den er mir angethan hat, weit
grösser ist, als die Schmach, die er, seiner Mey-
nung nach, von mir erlitten hat, seyn würde, und
wenn er sich gleich in seiner Meynung nicht betrö-
ge, mit der Sanftmuth und Bescheidenheit thun,
daß er zugleich aus meinen gegründeten Vorstel-
lungen Nutzen schöpfen, und sich aus meinem
Exempel, wo es ihm beliebt, wird erbauen können.

Jch bitte ihn demnach, zu bedencken, ob er
nicht, als ein Christ, zur Gedult in allem Leyden,
und, als ein Geistlicher, andern mit einem guten
Exempel vorzuleuchten verbunden sey? Er weiß,
daß man auch seine Feinde lieben, und die, welche
uns fluchen, segnen müsse, und seine Zuhörer wu-
sten es auch. Wie meynet er dann wohl, daß sie
sich über seine Heftigkeit, und über sein unartiges
Fluchen geärgert haben?

- - - - - tantae - ne animis coelestibus irae?
haben sie unstreitig, wie wohl nur auf deutsch, ge-
dacht: Ja sie würden sich darüber geärgert haben,
und wenn auch die Beleidigung, die ihn so sehr aus-
ser sich gesetzet hat, noch grösser wäre, als er sie sich,
wie wohl ohne allen Grund, einbildet.

Wir wollen den Fall setzen, ich hätte die Boß-

heit

(o)
des Geiſtes wider die Ketzer zufuͤhren. Jch koͤnte
die allerhand laͤcherliche Ungluͤcks-Faͤlle erzehlen,
die mir begegnet, ſeit der Zeit ich unter ſeinem
Fluch geſtanden; und wenn ich der Mann waͤre,
wovor er mich haͤlt, ſo thaͤte ich es. Allein ich bin
ein Feind von ſolchen Thorheiten, und will mir
die Freyheit nehmen, dem Hn. Mag. ſeine Uber-
eilung im Ernſt vorzuſtellen. Jch werde dieſes,
obgleich der Schimpf, den er mir angethan hat, weit
groͤſſer iſt, als die Schmach, die er, ſeiner Mey-
nung nach, von mir erlitten hat, ſeyn wuͤrde, und
wenn er ſich gleich in ſeiner Meynung nicht betroͤ-
ge, mit der Sanftmuth und Beſcheidenheit thun,
daß er zugleich aus meinen gegruͤndeten Vorſtel-
lungen Nutzen ſchoͤpfen, und ſich aus meinem
Exempel, wo es ihm beliebt, wird erbauen koͤnnen.

Jch bitte ihn demnach, zu bedencken, ob er
nicht, als ein Chriſt, zur Gedult in allem Leyden,
und, als ein Geiſtlicher, andern mit einem guten
Exempel vorzuleuchten verbunden ſey? Er weiß,
daß man auch ſeine Feinde lieben, und die, welche
uns fluchen, ſegnen muͤſſe, und ſeine Zuhoͤrer wu-
ſten es auch. Wie meynet er dann wohl, daß ſie
ſich uͤber ſeine Heftigkeit, und uͤber ſein unartiges
Fluchen geaͤrgert haben?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ tantæ ‒ ne animis cœleſtibus iræ?
haben ſie unſtreitig, wie wohl nur auf deutſch, ge-
dacht: Ja ſie wuͤrden ſich daruͤber geaͤrgert haben,
und wenn auch die Beleidigung, die ihn ſo ſehr auſ-
ſer ſich geſetzet hat, noch groͤſſer waͤre, als er ſie ſich,
wie wohl ohne allen Grund, einbildet.

Wir wollen den Fall ſetzen, ich haͤtte die Boß-

heit
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[124/0216] (o) des Geiſtes wider die Ketzer zufuͤhren. Jch koͤnte die allerhand laͤcherliche Ungluͤcks-Faͤlle erzehlen, die mir begegnet, ſeit der Zeit ich unter ſeinem Fluch geſtanden; und wenn ich der Mann waͤre, wovor er mich haͤlt, ſo thaͤte ich es. Allein ich bin ein Feind von ſolchen Thorheiten, und will mir die Freyheit nehmen, dem Hn. Mag. ſeine Uber- eilung im Ernſt vorzuſtellen. Jch werde dieſes, obgleich der Schimpf, den er mir angethan hat, weit groͤſſer iſt, als die Schmach, die er, ſeiner Mey- nung nach, von mir erlitten hat, ſeyn wuͤrde, und wenn er ſich gleich in ſeiner Meynung nicht betroͤ- ge, mit der Sanftmuth und Beſcheidenheit thun, daß er zugleich aus meinen gegruͤndeten Vorſtel- lungen Nutzen ſchoͤpfen, und ſich aus meinem Exempel, wo es ihm beliebt, wird erbauen koͤnnen. Jch bitte ihn demnach, zu bedencken, ob er nicht, als ein Chriſt, zur Gedult in allem Leyden, und, als ein Geiſtlicher, andern mit einem guten Exempel vorzuleuchten verbunden ſey? Er weiß, daß man auch ſeine Feinde lieben, und die, welche uns fluchen, ſegnen muͤſſe, und ſeine Zuhoͤrer wu- ſten es auch. Wie meynet er dann wohl, daß ſie ſich uͤber ſeine Heftigkeit, und uͤber ſein unartiges Fluchen geaͤrgert haben? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ tantæ ‒ ne animis cœleſtibus iræ? haben ſie unſtreitig, wie wohl nur auf deutſch, ge- dacht: Ja ſie wuͤrden ſich daruͤber geaͤrgert haben, und wenn auch die Beleidigung, die ihn ſo ſehr auſ- ſer ſich geſetzet hat, noch groͤſſer waͤre, als er ſie ſich, wie wohl ohne allen Grund, einbildet. Wir wollen den Fall ſetzen, ich haͤtte die Boß- heit

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/216>, abgerufen am 25.04.2024.