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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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unbedachtsames Versprechen gethan hatte, kam end-
lich wieder zu sich selbst. Das Gewissen wachte auf.
Er sahe, wie sehr er seine Brüder betrübet hatte. Er be-
reuete es, und schrieb, zu grossem Troste des betrübten
Häufleins der elenden Scribenten, solche Bücher,
daß man wohl sehen kunte, daß alles, was er in seinem
Dancksagungs-Schreiben der Gesellschafft Gutes
vorgesagt hatte, nur Ehren-Worte gewesen, die ihm
nicht von Hertzen gegangen.

Der Societät gefiel dieses nicht: Doch schwieg
sie Anfangs stille dazu. Sie hielte davor, man mü-
ste mit Mr. Makewind, als einem jungen Menschen,
Gedult haben. Die Besserung geschehe nicht durch
einen Sprung: Er würde noch wohl werden. Al-
lein diese Hoffnung schlug fehl. Mr. Makewind
legte das Stillschweigen der Societät so aus, als
wenn sie seine Aufführung billigte. Er wagte es
demnach, und trat völlig wieder auf unsere Seite. Er
gab Schrifften ans Licht, die, eben wie die vorigen
voller Bombast, und Uebertretungen der Gesetze der
Sprach-Kunst waren. Jn seinen Gedichten war
der Reim das Haupt-Werck, und die Vernunfft er-
schrecklich gemißhandelt. Sie können leicht geden-
cken, wie sehr uns dieses erfreuet, und wie hergegen un-
sere Feinde, und das Haupt derselben, ich meine die
Societät der Wissenschafften, sich geärgert habe, als
sie gesehen, daß ihr listiger Anschlag zu ihrem eigenen
Schaden ausgeschlagen. Und gewiß, die Societät
war übel daran: Solte sie ein, nach ihrer Meynung,
unwürdiges Mitglied auf eine gewaltsame Art von
ihren Cörper absondern; so muste sie ihre eigene Un-
vorsichtigkeit im wählen bekennen, und die Rache, ei-

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unbedachtſames Verſprechen gethan hatte, kam end-
lich wieder zu ſich ſelbſt. Das Gewiſſen wachte auf.
Er ſahe, wie ſehr er ſeine Bruͤder betruͤbet hatte. Er be-
reuete es, und ſchrieb, zu groſſem Troſte des betruͤbten
Haͤufleins der elenden Scribenten, ſolche Buͤcher,
daß man wohl ſehen kunte, daß alles, was er in ſeinem
Danckſagungs-Schreiben der Geſellſchafft Gutes
vorgeſagt hatte, nur Ehren-Worte geweſen, die ihm
nicht von Hertzen gegangen.

Der Societaͤt gefiel dieſes nicht: Doch ſchwieg
ſie Anfangs ſtille dazu. Sie hielte davor, man muͤ-
ſte mit Mr. Makewind, als einem jungen Menſchen,
Gedult haben. Die Beſſerung geſchehe nicht durch
einen Sprung: Er wuͤrde noch wohl werden. Al-
lein dieſe Hoffnung ſchlug fehl. Mr. Makewind
legte das Stillſchweigen der Societaͤt ſo aus, als
wenn ſie ſeine Auffuͤhrung billigte. Er wagte es
demnach, und trat voͤllig wieder auf unſere Seite. Er
gab Schrifften ans Licht, die, eben wie die vorigen
voller Bombaſt, und Uebertretungen der Geſetze der
Sprach-Kunſt waren. Jn ſeinen Gedichten war
der Reim das Haupt-Werck, und die Vernunfft er-
ſchrecklich gemißhandelt. Sie koͤnnen leicht geden-
cken, wie ſehr uns dieſes erfreuet, und wie hergegen un-
ſere Feinde, und das Haupt derſelben, ich meine die
Societaͤt der Wiſſenſchafften, ſich geaͤrgert habe, als
ſie geſehen, daß ihr liſtiger Anſchlag zu ihrem eigenen
Schaden ausgeſchlagen. Und gewiß, die Societaͤt
war uͤbel daran: Solte ſie ein, nach ihrer Meynung,
unwuͤrdiges Mitglied auf eine gewaltſame Art von
ihren Coͤrper abſondern; ſo muſte ſie ihre eigene Un-
vorſichtigkeit im waͤhlen bekennen, und die Rache, ei-

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[85/0177] (o) unbedachtſames Verſprechen gethan hatte, kam end- lich wieder zu ſich ſelbſt. Das Gewiſſen wachte auf. Er ſahe, wie ſehr er ſeine Bruͤder betruͤbet hatte. Er be- reuete es, und ſchrieb, zu groſſem Troſte des betruͤbten Haͤufleins der elenden Scribenten, ſolche Buͤcher, daß man wohl ſehen kunte, daß alles, was er in ſeinem Danckſagungs-Schreiben der Geſellſchafft Gutes vorgeſagt hatte, nur Ehren-Worte geweſen, die ihm nicht von Hertzen gegangen. Der Societaͤt gefiel dieſes nicht: Doch ſchwieg ſie Anfangs ſtille dazu. Sie hielte davor, man muͤ- ſte mit Mr. Makewind, als einem jungen Menſchen, Gedult haben. Die Beſſerung geſchehe nicht durch einen Sprung: Er wuͤrde noch wohl werden. Al- lein dieſe Hoffnung ſchlug fehl. Mr. Makewind legte das Stillſchweigen der Societaͤt ſo aus, als wenn ſie ſeine Auffuͤhrung billigte. Er wagte es demnach, und trat voͤllig wieder auf unſere Seite. Er gab Schrifften ans Licht, die, eben wie die vorigen voller Bombaſt, und Uebertretungen der Geſetze der Sprach-Kunſt waren. Jn ſeinen Gedichten war der Reim das Haupt-Werck, und die Vernunfft er- ſchrecklich gemißhandelt. Sie koͤnnen leicht geden- cken, wie ſehr uns dieſes erfreuet, und wie hergegen un- ſere Feinde, und das Haupt derſelben, ich meine die Societaͤt der Wiſſenſchafften, ſich geaͤrgert habe, als ſie geſehen, daß ihr liſtiger Anſchlag zu ihrem eigenen Schaden ausgeſchlagen. Und gewiß, die Societaͤt war uͤbel daran: Solte ſie ein, nach ihrer Meynung, unwuͤrdiges Mitglied auf eine gewaltſame Art von ihren Coͤrper abſondern; ſo muſte ſie ihre eigene Un- vorſichtigkeit im waͤhlen bekennen, und die Rache, ei- nes F 3

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/177>, abgerufen am 26.04.2024.