weil es lässt, als sey sie ohne sein Gesuch geschehen. Jch habe mich also von der löblichen Gewohnheit meiner Lands-Leute nicht entfernen wollen, und glau- be, daß dieser Brief mir Jhren Vorspruch bey der gelehrten Gesellschaft, deren Haupt Sie sind, und die Ehre, ein Mitglied derselben zu heissen, zuwege brin- gen werde.
Jch bin zwar nicht ehrgeitzig: aber ich kan Jh- nen doch nicht bergen, daß es mir eine sonderliche Freu- de seyn würde, wenn meine Lands-Leute durch meine Aufnahme in eine so berühmte Gesellschafft, als die ih- rige ist, überführet werden möchten, daß es ausser die- ser Jnsul Leute gebe, die meine Verdienste besser zu erkennen wissen, als mein undanckbares Vaterland.
Gewiß, mein Herr, ich möchte Blut weinen, wann ich daran gedencke, wie sehr der Geschmack meiner gantzen Nation verdorben ist. Sie werden vermuth- lich wohl gehöret haben, wie lecker wir Engelländer in Essen und Trincken sind; wie wir an unsern Speisen künsteln, und alles vor abgeschmackt halten, was nicht unsern verwehnten Gaumen aufs empfindlich- ste kützelt. Dieses Verderben einer sonst vortreflichen und klugen Nation ist zu beklagen: aber noch mehr ist zu bedauren, daß wir in Ansehung der Nahrung unserer Seelen, eben so lecker, und eben so unmäßig sind, als in unserm Essen und Trincken.
Jch kan mit Seneca sagen: Quemadmodum omnium rerum, sic litterarum quoque intempe- rantia laboramus. Diese Unmäßigkeit im Wissen hat sich unter den Gelehrten dieser Jnsul so sehr ausgebreitet, daß ich und meines Gleichen, die wir durch unsere Reden und Schrifften unser gerechtes
Miß-
(o)
weil es laͤſſt, als ſey ſie ohne ſein Geſuch geſchehen. Jch habe mich alſo von der loͤblichen Gewohnheit meiner Lands-Leute nicht entfernen wollen, und glau- be, daß dieſer Brief mir Jhren Vorſpruch bey der gelehrten Geſellſchaft, deren Haupt Sie ſind, und die Ehre, ein Mitglied derſelben zu heiſſen, zuwege brin- gen werde.
Jch bin zwar nicht ehrgeitzig: aber ich kan Jh- nen doch nicht bergen, daß es mir eine ſonderliche Freu- de ſeyn wuͤrde, wenn meine Lands-Leute durch meine Aufnahme in eine ſo beruͤhmte Geſellſchafft, als die ih- rige iſt, uͤberfuͤhret werden moͤchten, daß es auſſer die- ſer Jnſul Leute gebe, die meine Verdienſte beſſer zu erkennen wiſſen, als mein undanckbares Vaterland.
Gewiß, mein Herr, ich moͤchte Blut weinen, wann ich daran gedencke, wie ſehr der Geſchmack meiner gantzen Nation verdorben iſt. Sie werden vermuth- lich wohl gehoͤret haben, wie lecker wir Engellaͤnder in Eſſen und Trincken ſind; wie wir an unſern Speiſen kuͤnſteln, und alles vor abgeſchmackt halten, was nicht unſern verwehnten Gaumen aufs empfindlich- ſte kuͤtzelt. Dieſes Verderben einer ſonſt vortreflichen und klugen Nation iſt zu beklagen: aber noch mehr iſt zu bedauren, daß wir in Anſehung der Nahrung unſerer Seelen, eben ſo lecker, und eben ſo unmaͤßig ſind, als in unſerm Eſſen und Trincken.
Jch kan mit Seneca ſagen: Quemadmodum omnium rerum, ſic litterarum quoque intempe- rantia laboramus. Dieſe Unmaͤßigkeit im Wiſſen hat ſich unter den Gelehrten dieſer Jnſul ſo ſehr ausgebreitet, daß ich und meines Gleichen, die wir durch unſere Reden und Schrifften unſer gerechtes
Miß-
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(o)
weil es laͤſſt, als ſey ſie ohne ſein Geſuch geſchehen.
Jch habe mich alſo von der loͤblichen Gewohnheit
meiner Lands-Leute nicht entfernen wollen, und glau-
be, daß dieſer Brief mir Jhren Vorſpruch bey der
gelehrten Geſellſchaft, deren Haupt Sie ſind, und die
Ehre, ein Mitglied derſelben zu heiſſen, zuwege brin-
gen werde.
Jch bin zwar nicht ehrgeitzig: aber ich kan Jh-
nen doch nicht bergen, daß es mir eine ſonderliche Freu-
de ſeyn wuͤrde, wenn meine Lands-Leute durch meine
Aufnahme in eine ſo beruͤhmte Geſellſchafft, als die ih-
rige iſt, uͤberfuͤhret werden moͤchten, daß es auſſer die-
ſer Jnſul Leute gebe, die meine Verdienſte beſſer zu
erkennen wiſſen, als mein undanckbares Vaterland.
Gewiß, mein Herr, ich moͤchte Blut weinen, wann
ich daran gedencke, wie ſehr der Geſchmack meiner
gantzen Nation verdorben iſt. Sie werden vermuth-
lich wohl gehoͤret haben, wie lecker wir Engellaͤnder in
Eſſen und Trincken ſind; wie wir an unſern Speiſen
kuͤnſteln, und alles vor abgeſchmackt halten, was
nicht unſern verwehnten Gaumen aufs empfindlich-
ſte kuͤtzelt. Dieſes Verderben einer ſonſt vortreflichen
und klugen Nation iſt zu beklagen: aber noch mehr
iſt zu bedauren, daß wir in Anſehung der Nahrung
unſerer Seelen, eben ſo lecker, und eben ſo unmaͤßig
ſind, als in unſerm Eſſen und Trincken.
Jch kan mit Seneca ſagen: Quemadmodum
omnium rerum, ſic litterarum quoque intempe-
rantia laboramus. Dieſe Unmaͤßigkeit im Wiſſen
hat ſich unter den Gelehrten dieſer Jnſul ſo ſehr
ausgebreitet, daß ich und meines Gleichen, die wir
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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