gesagt haben, was zu sagen ist. Jch preise solche Scri- benten glücklich: Jch lobe sie: Aber ich bitte sie auch hergegen zu bedencken, daß es mich weit mehr Mühe kosten müsse, vier oder fünff Zeilen zu schreiben, als es sie kostet, gantze Bogen zu beklecken. Nichts ist leichter als nachbeten, was mir ein anderer vorsagt. Schrie- be ich z. E. von einem Stern-Steine, so wolte ich bald fertig werden. Jch könnte nur sagen, man finde sol- che Steine an unterschiedenen Orten. Der und der habe dieses und jenes davon geschrieben, und ich hät- te nichts mehr zu sagen, als daß ich auch einen gefun- den hätte, der so und so aussähe. Jch konnte, wenn die- ses noch nicht genug, hinzusetzen, was man von den Wirckungen und Kräfften eines solchen Steines sa- get, und durch Anführung vieler Scribenten, deren keinen ich mit Augen gesehen, vielweniger gelesen, mir den Ruhm eines gelehrten und belesenen Mannes er- werben.
Diese Art zu schreiben ist so leicht, daß ich mir ge- traue, von meinem Hunde, der sonderlich artig gezeich- net ist, ein feines Werckgen zu schreiben, wenn ich es so machenwolte. Denn daß es viele bunte Hunde ge- be, das ist bekannt, daß ich auch einen habe, das ist ge- wiß: Dieser aber ist andern bunten Hunden nicht vollkommen ähnlich. Wenn ich dieses sagte, und dabey mein Hündgen in Kupffer stechen liesse, so wäre mein Büchlein fertig.
Aber es ist mir wohl verboten, diesen leichten und lustigen Weg zu wandeln, wenn ich auch gleich Lust dazu hätte. Gefrorne Fenster-Scheiben, die so viele Seltenheiten in sich fassen, als die meine, sind nicht so gemein, als ein Stern-Stein und bunte Hunde.
Jch
(o)
geſagt haben, was zu ſagen iſt. Jch preiſe ſolche Scri- benten gluͤcklich: Jch lobe ſie: Aber ich bitte ſie auch hergegen zu bedencken, daß es mich weit mehr Muͤhe koſten muͤſſe, vier oder fuͤnff Zeilen zu ſchreiben, als es ſie koſtet, gantze Bogen zu beklecken. Nichts iſt leichter als nachbeten, was mir ein anderer vorſagt. Schrie- be ich z. E. von einem Stern-Steine, ſo wolte ich bald fertig werden. Jch koͤnnte nur ſagen, man finde ſol- che Steine an unterſchiedenen Orten. Der und der habe dieſes und jenes davon geſchrieben, und ich haͤt- te nichts mehr zu ſagen, als daß ich auch einen gefun- den haͤtte, der ſo und ſo ausſaͤhe. Jch konnte, wenn die- ſes noch nicht genug, hinzuſetzen, was man von den Wirckungen und Kraͤfften eines ſolchen Steines ſa- get, und durch Anfuͤhrung vieler Scribenten, deren keinen ich mit Augen geſehen, vielweniger geleſen, mir den Ruhm eines gelehrten und beleſenen Mannes er- werben.
Dieſe Art zu ſchreiben iſt ſo leicht, daß ich mir ge- traue, von meinem Hunde, der ſonderlich artig gezeich- net iſt, ein feines Werckgen zu ſchreiben, wenn ich es ſo machenwolte. Denn daß es viele bunte Hunde ge- be, das iſt bekannt, daß ich auch einen habe, das iſt ge- wiß: Dieſer aber iſt andern bunten Hunden nicht vollkommen aͤhnlich. Wenn ich dieſes ſagte, und dabey mein Huͤndgen in Kupffer ſtechen lieſſe, ſo waͤre mein Buͤchlein fertig.
Aber es iſt mir wohl verboten, dieſen leichten und luſtigen Weg zu wandeln, wenn ich auch gleich Luſt dazu haͤtte. Gefrorne Fenſter-Scheiben, die ſo viele Seltenheiten in ſich faſſen, als die meine, ſind nicht ſo gemein, als ein Stern-Stein und bunte Hunde.
Jch
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geſagt haben, was zu ſagen iſt. Jch preiſe ſolche Scri-
benten gluͤcklich: Jch lobe ſie: Aber ich bitte ſie auch
hergegen zu bedencken, daß es mich weit mehr Muͤhe
koſten muͤſſe, vier oder fuͤnff Zeilen zu ſchreiben, als es
ſie koſtet, gantze Bogen zu beklecken. Nichts iſt leichter
als nachbeten, was mir ein anderer vorſagt. Schrie-
be ich z. E. von einem Stern-Steine, ſo wolte ich bald
fertig werden. Jch koͤnnte nur ſagen, man finde ſol-
che Steine an unterſchiedenen Orten. Der und der
habe dieſes und jenes davon geſchrieben, und ich haͤt-
te nichts mehr zu ſagen, als daß ich auch einen gefun-
den haͤtte, der ſo und ſo ausſaͤhe. Jch konnte, wenn die-
ſes noch nicht genug, hinzuſetzen, was man von den
Wirckungen und Kraͤfften eines ſolchen Steines ſa-
get, und durch Anfuͤhrung vieler Scribenten, deren
keinen ich mit Augen geſehen, vielweniger geleſen, mir
den Ruhm eines gelehrten und beleſenen Mannes er-
werben.
Dieſe Art zu ſchreiben iſt ſo leicht, daß ich mir ge-
traue, von meinem Hunde, der ſonderlich artig gezeich-
net iſt, ein feines Werckgen zu ſchreiben, wenn ich es
ſo machenwolte. Denn daß es viele bunte Hunde ge-
be, das iſt bekannt, daß ich auch einen habe, das iſt ge-
wiß: Dieſer aber iſt andern bunten Hunden nicht
vollkommen aͤhnlich. Wenn ich dieſes ſagte, und
dabey mein Huͤndgen in Kupffer ſtechen lieſſe, ſo
waͤre mein Buͤchlein fertig.
Aber es iſt mir wohl verboten, dieſen leichten und
luſtigen Weg zu wandeln, wenn ich auch gleich Luſt
dazu haͤtte. Gefrorne Fenſter-Scheiben, die ſo viele
Seltenheiten in ſich faſſen, als die meine, ſind nicht ſo
gemein, als ein Stern-Stein und bunte Hunde.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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