Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
vortrefliche Ubersetzung dieser gelehrten Geschichte erst
lesen, und mit ihren Augen sehen werden, wie wenig
Ursache sie haben, die nordischen Völcker zu verach-
ten. Jch wolte wünschen, daß sie dadurch bescheide-
ner würden, und begreiffen lerneten, daß ihr Wissen
Stückwerck sey: Allein ich weiß nicht, ob ich es hof-
fen kan. Wo fern ich unsere Gelehrten recht kenne,
werden sie lieber alles, was Sie uns von Nova Zem-
bla erzehlen, vor erdichtet ausgeben, als gestehen, daß
sie es bishero nicht gewust haben.

Jch werde mich dieser Sünde nicht theilhaftig ma-
chen; sondern allemahl bekennen, daß ich aus ihren
Schrifften unglaublichen Nutzen geschöpffet habe.
Jch werde es dem Herrn Medley, so lange ich lebe,
Danck wissen, daß er mir Dero Bekantschafft zuwe-
ge gebracht, und ein beständiger Verehrer ihrer Ver-
dienste leben und sterben.

Diese Erklärung habe ich schon lange auf meinem
Hertzen gehabt, und auch bereits etliche mahl die Feder
ergriffen, mich derselben in einem Schreiben an Sie
zu entledigen. Allein es hat mir bis auf diese Stunde
nicht glücken wollen: Jch habe wohl dreymahl ange-
fangen; aber auch drey mahl wieder ausgestrichen,
was ich geschrieben hatte.

Es ist dieses an Leuten meiner Art etwas unge-
wöhnliches. Wir, die wir von den Spöttern armselige
Scribenten betitelt werden, haben auch bey unsern
Feinden den Ruhm, daß wir nicht lecker sind, und daß
uns alles geräth, was wir anfangen. Jch wüste noch
keinen von allen meinen Brüdern, der sich jemahlen
geschämet hätte, etwas vorzubringen, so die leckere
und verwehnte Welt vor läppisch hält, und ich selbst

erkenne
D

(o)
vortrefliche Uberſetzung dieſer gelehrten Geſchichte erſt
leſen, und mit ihren Augen ſehen werden, wie wenig
Urſache ſie haben, die nordiſchen Voͤlcker zu verach-
ten. Jch wolte wuͤnſchen, daß ſie dadurch beſcheide-
ner wuͤrden, und begreiffen lerneten, daß ihr Wiſſen
Stuͤckwerck ſey: Allein ich weiß nicht, ob ich es hof-
fen kan. Wo fern ich unſere Gelehrten recht kenne,
werden ſie lieber alles, was Sie uns von Nova Zem-
bla erzehlen, vor erdichtet ausgeben, als geſtehen, daß
ſie es bishero nicht gewuſt haben.

Jch werde mich dieſer Suͤnde nicht theilhaftig ma-
chen; ſondern allemahl bekennen, daß ich aus ihren
Schrifften unglaublichen Nutzen geſchoͤpffet habe.
Jch werde es dem Herrn Medley, ſo lange ich lebe,
Danck wiſſen, daß er mir Dero Bekantſchafft zuwe-
ge gebracht, und ein beſtaͤndiger Verehrer ihrer Ver-
dienſte leben und ſterben.

Dieſe Erklaͤrung habe ich ſchon lange auf meinem
Hertzen gehabt, und auch beꝛeits etliche mahl die Fedeꝛ
ergriffen, mich derſelben in einem Schreiben an Sie
zu entledigen. Allein es hat mir bis auf dieſe Stunde
nicht gluͤcken wollen: Jch habe wohl dreymahl ange-
fangen; aber auch drey mahl wieder ausgeſtrichen,
was ich geſchrieben hatte.

Es iſt dieſes an Leuten meiner Art etwas unge-
woͤhnliches. Wir, die wir von den Spoͤttern aꝛmſelige
Scribenten betitelt werden, haben auch bey unſern
Feinden den Ruhm, daß wir nicht lecker ſind, und daß
uns alles geraͤth, was wir anfangen. Jch wuͤſte noch
keinen von allen meinen Bruͤdern, der ſich jemahlen
geſchaͤmet haͤtte, etwas vorzubringen, ſo die leckere
und verwehnte Welt vor laͤppiſch haͤlt, und ich ſelbſt

erkenne
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="49"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
vortrefliche Uber&#x017F;etzung die&#x017F;er gelehrten Ge&#x017F;chichte er&#x017F;t<lb/>
le&#x017F;en, und mit ihren Augen &#x017F;ehen werden, wie wenig<lb/>
Ur&#x017F;ache &#x017F;ie haben, die nordi&#x017F;chen Vo&#x0364;lcker zu verach-<lb/>
ten. Jch wolte wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß &#x017F;ie dadurch be&#x017F;cheide-<lb/>
ner wu&#x0364;rden, und begreiffen lerneten, daß ihr Wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Stu&#x0364;ckwerck &#x017F;ey: Allein ich weiß nicht, ob ich es hof-<lb/>
fen kan. Wo fern ich un&#x017F;ere Gelehrten recht kenne,<lb/>
werden &#x017F;ie lieber alles, was Sie uns von Nova Zem-<lb/>
bla erzehlen, vor erdichtet ausgeben, als ge&#x017F;tehen, daß<lb/>
&#x017F;ie es bishero nicht gewu&#x017F;t haben.</p><lb/>
          <p>Jch werde mich die&#x017F;er Su&#x0364;nde nicht theilhaftig ma-<lb/>
chen; &#x017F;ondern allemahl bekennen, daß ich aus ihren<lb/>
Schrifften unglaublichen Nutzen ge&#x017F;cho&#x0364;pffet habe.<lb/>
Jch werde es dem Herrn Medley, &#x017F;o lange ich lebe,<lb/>
Danck wi&#x017F;&#x017F;en, daß er mir Dero Bekant&#x017F;chafft zuwe-<lb/>
ge gebracht, und ein be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Verehrer ihrer Ver-<lb/>
dien&#x017F;te leben und &#x017F;terben.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung habe ich &#x017F;chon lange auf meinem<lb/>
Hertzen gehabt, und auch be&#xA75B;eits etliche mahl die Fede&#xA75B;<lb/>
ergriffen, mich der&#x017F;elben in einem Schreiben an Sie<lb/>
zu entledigen. Allein es hat mir bis auf die&#x017F;e Stunde<lb/>
nicht glu&#x0364;cken wollen: Jch habe wohl dreymahl ange-<lb/>
fangen; aber auch drey mahl wieder ausge&#x017F;trichen,<lb/>
was ich ge&#x017F;chrieben hatte.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t die&#x017F;es an Leuten meiner Art etwas unge-<lb/>
wo&#x0364;hnliches. Wir, die wir von den Spo&#x0364;ttern a&#xA75B;m&#x017F;elige<lb/>
Scribenten betitelt werden, haben auch bey un&#x017F;ern<lb/>
Feinden den Ruhm, daß wir nicht lecker &#x017F;ind, und daß<lb/>
uns alles gera&#x0364;th, was wir anfangen. Jch wu&#x0364;&#x017F;te noch<lb/>
keinen von allen meinen Bru&#x0364;dern, der &#x017F;ich jemahlen<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;met ha&#x0364;tte, etwas vorzubringen, &#x017F;o die leckere<lb/>
und verwehnte Welt vor la&#x0364;ppi&#x017F;ch ha&#x0364;lt, und ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">erkenne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0141] (o) vortrefliche Uberſetzung dieſer gelehrten Geſchichte erſt leſen, und mit ihren Augen ſehen werden, wie wenig Urſache ſie haben, die nordiſchen Voͤlcker zu verach- ten. Jch wolte wuͤnſchen, daß ſie dadurch beſcheide- ner wuͤrden, und begreiffen lerneten, daß ihr Wiſſen Stuͤckwerck ſey: Allein ich weiß nicht, ob ich es hof- fen kan. Wo fern ich unſere Gelehrten recht kenne, werden ſie lieber alles, was Sie uns von Nova Zem- bla erzehlen, vor erdichtet ausgeben, als geſtehen, daß ſie es bishero nicht gewuſt haben. Jch werde mich dieſer Suͤnde nicht theilhaftig ma- chen; ſondern allemahl bekennen, daß ich aus ihren Schrifften unglaublichen Nutzen geſchoͤpffet habe. Jch werde es dem Herrn Medley, ſo lange ich lebe, Danck wiſſen, daß er mir Dero Bekantſchafft zuwe- ge gebracht, und ein beſtaͤndiger Verehrer ihrer Ver- dienſte leben und ſterben. Dieſe Erklaͤrung habe ich ſchon lange auf meinem Hertzen gehabt, und auch beꝛeits etliche mahl die Fedeꝛ ergriffen, mich derſelben in einem Schreiben an Sie zu entledigen. Allein es hat mir bis auf dieſe Stunde nicht gluͤcken wollen: Jch habe wohl dreymahl ange- fangen; aber auch drey mahl wieder ausgeſtrichen, was ich geſchrieben hatte. Es iſt dieſes an Leuten meiner Art etwas unge- woͤhnliches. Wir, die wir von den Spoͤttern aꝛmſelige Scribenten betitelt werden, haben auch bey unſern Feinden den Ruhm, daß wir nicht lecker ſind, und daß uns alles geraͤth, was wir anfangen. Jch wuͤſte noch keinen von allen meinen Bruͤdern, der ſich jemahlen geſchaͤmet haͤtte, etwas vorzubringen, ſo die leckere und verwehnte Welt vor laͤppiſch haͤlt, und ich ſelbſt erkenne D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/141
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/141>, abgerufen am 18.04.2024.