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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
sich, andere zu lehren, unter finge. Dieses
Vorurtheil hat mich bishero abgehalten,
der Welt mit meinem Talent zu dienen: Al-
lein, da ich auf das, was in der gelehrten
Welt täglich vorgehet, genauere Acht ge-
habt, bin ich gewahr worden, wie schändlich
man mich betrogen habe, und begreiffe nu-
mehro gantz deutlich, daß man gar füglich
ein berühmter Scribent seyn könne, ohne
die geringste Wissenschafft zu besitzen, und
daß es folglich eine unnütze Mühe sey, wenn
man durch vieles Studiren seinen Ver-
stand, und seine Gesundheit schwächt. Jch
halte demnach das Vorurtheil, so man mir
in meiner Jugend beygebracht hat, vor
höchst schädlich, und bin versichert, daß,
wenn man sich nach selbigem richten wolte,
in kurtzem die Buchdrucker und Buchhänd-
ler an den Bettel-Stab kommen würden.
Uber mich sollen diese Leute nicht seufftzen;
Jch will ihnen, wo ich lebe, genug zu
schaffen geben: Niemand verachte meine
Jugend. Jch bin, GOtt Lob! über mein
21tes Jahr: Wer aber über seine 3 mahl 7
Jahre ist, kan, wie bekannt, in allen Gesell-
schafften, und folglich auch in der gelehrten
Welt ein Wort mit sprechen. Jch weiß
wohl, daß es gemeiniglich heist: Ver-

stand
C 5

(o)
ſich, andere zu lehren, unter finge. Dieſes
Vorurtheil hat mich bishero abgehalten,
der Welt mit meinem Talent zu dienen: Al-
lein, da ich auf das, was in der gelehrten
Welt taͤglich vorgehet, genauere Acht ge-
habt, bin ich gewahr worden, wie ſchaͤndlich
man mich betrogen habe, und begreiffe nu-
mehro gantz deutlich, daß man gar fuͤglich
ein beruͤhmter Scribent ſeyn koͤnne, ohne
die geringſte Wiſſenſchafft zu beſitzen, und
daß es folglich eine unnuͤtze Muͤhe ſey, wenn
man durch vieles Studiren ſeinen Ver-
ſtand, und ſeine Geſundheit ſchwaͤcht. Jch
halte demnach das Vorurtheil, ſo man mir
in meiner Jugend beygebracht hat, vor
hoͤchſt ſchaͤdlich, und bin verſichert, daß,
wenn man ſich nach ſelbigem richten wolte,
in kurtzem die Buchdrucker und Buchhaͤnd-
ler an den Bettel-Stab kommen wuͤrden.
Uber mich ſollen dieſe Leute nicht ſeufftzen;
Jch will ihnen, wo ich lebe, genug zu
ſchaffen geben: Niemand verachte meine
Jugend. Jch bin, GOtt Lob! uͤber mein
21tes Jahr: Wer aber uͤber ſeine 3 mahl 7
Jahre iſt, kan, wie bekannt, in allen Geſell-
ſchafften, und folglich auch in der gelehrten
Welt ein Wort mit ſprechen. Jch weiß
wohl, daß es gemeiniglich heiſt: Ver-

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[41/0131] (o) ſich, andere zu lehren, unter finge. Dieſes Vorurtheil hat mich bishero abgehalten, der Welt mit meinem Talent zu dienen: Al- lein, da ich auf das, was in der gelehrten Welt taͤglich vorgehet, genauere Acht ge- habt, bin ich gewahr worden, wie ſchaͤndlich man mich betrogen habe, und begreiffe nu- mehro gantz deutlich, daß man gar fuͤglich ein beruͤhmter Scribent ſeyn koͤnne, ohne die geringſte Wiſſenſchafft zu beſitzen, und daß es folglich eine unnuͤtze Muͤhe ſey, wenn man durch vieles Studiren ſeinen Ver- ſtand, und ſeine Geſundheit ſchwaͤcht. Jch halte demnach das Vorurtheil, ſo man mir in meiner Jugend beygebracht hat, vor hoͤchſt ſchaͤdlich, und bin verſichert, daß, wenn man ſich nach ſelbigem richten wolte, in kurtzem die Buchdrucker und Buchhaͤnd- ler an den Bettel-Stab kommen wuͤrden. Uber mich ſollen dieſe Leute nicht ſeufftzen; Jch will ihnen, wo ich lebe, genug zu ſchaffen geben: Niemand verachte meine Jugend. Jch bin, GOtt Lob! uͤber mein 21tes Jahr: Wer aber uͤber ſeine 3 mahl 7 Jahre iſt, kan, wie bekannt, in allen Geſell- ſchafften, und folglich auch in der gelehrten Welt ein Wort mit ſprechen. Jch weiß wohl, daß es gemeiniglich heiſt: Ver- ſtand C 5

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/131>, abgerufen am 21.11.2024.