um das Material zum Bau ihres Nestes von der Erde aufzu- heben, ja, die Turmschwalbe vermag nicht einmal von der flachen Erde aufzufliegen, und benutzt ihre verkümmerten Füsse nur, um in ihr Nest hineinzukriechen. Wie wäre aber ein solches Leben in der Luft denkbar, ohne die Annahme einer durchschnittlich wenigstens mässig grossen Fliegearbeit; welche Energie müssten Ernährungsprozess und Atmungs- thätigkeit haben, wenn ein solches unausgesetztes Fliegen eine motorische Leistung erforderte, wie dieselbe mit Hülfe der bekannten Luftwiderstandsformel sich berechnet?
Wir stehen hier zunächst vor einem Rätsel, dessen nähere Besprechung die Aufgabe der nächsten Abschnitte sein soll.
Diese in die Erscheinung tretende geringe Flugarbeit kann der Vogel aber nicht immer anwenden, z. B. dann nicht, wenn er sich bei Windstille von der Erde oder vom Wasser erhebt, oder wenn er genötigt ist, sich in ruhender Luft, ohne vor- wärts zu fliegen, zu halten. Wir sehen ihn dann viel stärker wie gewöhnlich mit den Flügeln schlagen und merken ihm entschieden an, dass ein derartiges Fliegen ihm eine solche Anstrengung verursacht, die ihn in kurzer Zeit ermüdet. Aber auch diese Anstrengung erreicht bei weitem nicht die Grösse der im vorigen Abschnitt berechneten, wenn schon sie das Vorhandensein der grossen auf der Brust gelagerten Flügel- muskel erklärt.
Wir haben eben bei den Vögeln verschiedene Fälle von Kraftleistung beim Fliegen zu unterscheiden, je nach den ver- schiedenen Arten des Fliegens.
Wir wissen, dass das Auffliegen in windstiller Luft den Vögeln besondere Anstrengung verursacht. Es giebt sogar viele Vogelarten, die ein Auffliegen von ebener Erde über- haupt nicht fertig bringen, trotzdem aber zu den gewandtesten und ausdauerndsten Fliegern gerechnet werden müssen.
Die meisten kleineren Vögel sind allerdings imstande, ohne Vorwärtsgeschwindigkeit eine Zeit lang stillstehend, so- gar etwas steigend in ruhiger Luft sich zu halten.
um das Material zum Bau ihres Nestes von der Erde aufzu- heben, ja, die Turmschwalbe vermag nicht einmal von der flachen Erde aufzufliegen, und benutzt ihre verkümmerten Füſse nur, um in ihr Nest hineinzukriechen. Wie wäre aber ein solches Leben in der Luft denkbar, ohne die Annahme einer durchschnittlich wenigstens mäſsig groſsen Fliegearbeit; welche Energie müſsten Ernährungsprozeſs und Atmungs- thätigkeit haben, wenn ein solches unausgesetztes Fliegen eine motorische Leistung erforderte, wie dieselbe mit Hülfe der bekannten Luftwiderstandsformel sich berechnet?
Wir stehen hier zunächst vor einem Rätsel, dessen nähere Besprechung die Aufgabe der nächsten Abschnitte sein soll.
Diese in die Erscheinung tretende geringe Flugarbeit kann der Vogel aber nicht immer anwenden, z. B. dann nicht, wenn er sich bei Windstille von der Erde oder vom Wasser erhebt, oder wenn er genötigt ist, sich in ruhender Luft, ohne vor- wärts zu fliegen, zu halten. Wir sehen ihn dann viel stärker wie gewöhnlich mit den Flügeln schlagen und merken ihm entschieden an, daſs ein derartiges Fliegen ihm eine solche Anstrengung verursacht, die ihn in kurzer Zeit ermüdet. Aber auch diese Anstrengung erreicht bei weitem nicht die Gröſse der im vorigen Abschnitt berechneten, wenn schon sie das Vorhandensein der groſsen auf der Brust gelagerten Flügel- muskel erklärt.
Wir haben eben bei den Vögeln verschiedene Fälle von Kraftleistung beim Fliegen zu unterscheiden, je nach den ver- schiedenen Arten des Fliegens.
Wir wissen, daſs das Auffliegen in windstiller Luft den Vögeln besondere Anstrengung verursacht. Es giebt sogar viele Vogelarten, die ein Auffliegen von ebener Erde über- haupt nicht fertig bringen, trotzdem aber zu den gewandtesten und ausdauerndsten Fliegern gerechnet werden müssen.
Die meisten kleineren Vögel sind allerdings imstande, ohne Vorwärtsgeschwindigkeit eine Zeit lang stillstehend, so- gar etwas steigend in ruhiger Luft sich zu halten.
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um das Material zum Bau ihres Nestes von der Erde aufzu-
heben, ja, die Turmschwalbe vermag nicht einmal von der
flachen Erde aufzufliegen, und benutzt ihre verkümmerten
Füſse nur, um in ihr Nest hineinzukriechen. Wie wäre aber
ein solches Leben in der Luft denkbar, ohne die Annahme
einer durchschnittlich wenigstens mäſsig groſsen Fliegearbeit;
welche Energie müſsten Ernährungsprozeſs und Atmungs-
thätigkeit haben, wenn ein solches unausgesetztes Fliegen
eine motorische Leistung erforderte, wie dieselbe mit Hülfe
der bekannten Luftwiderstandsformel sich berechnet?
Wir stehen hier zunächst vor einem Rätsel, dessen nähere
Besprechung die Aufgabe der nächsten Abschnitte sein soll.
Diese in die Erscheinung tretende geringe Flugarbeit kann
der Vogel aber nicht immer anwenden, z. B. dann nicht, wenn
er sich bei Windstille von der Erde oder vom Wasser erhebt,
oder wenn er genötigt ist, sich in ruhender Luft, ohne vor-
wärts zu fliegen, zu halten. Wir sehen ihn dann viel stärker
wie gewöhnlich mit den Flügeln schlagen und merken ihm
entschieden an, daſs ein derartiges Fliegen ihm eine solche
Anstrengung verursacht, die ihn in kurzer Zeit ermüdet. Aber
auch diese Anstrengung erreicht bei weitem nicht die Gröſse
der im vorigen Abschnitt berechneten, wenn schon sie das
Vorhandensein der groſsen auf der Brust gelagerten Flügel-
muskel erklärt.
Wir haben eben bei den Vögeln verschiedene Fälle von
Kraftleistung beim Fliegen zu unterscheiden, je nach den ver-
schiedenen Arten des Fliegens.
Wir wissen, daſs das Auffliegen in windstiller Luft den
Vögeln besondere Anstrengung verursacht. Es giebt sogar
viele Vogelarten, die ein Auffliegen von ebener Erde über-
haupt nicht fertig bringen, trotzdem aber zu den gewandtesten
und ausdauerndsten Fliegern gerechnet werden müssen.
Die meisten kleineren Vögel sind allerdings imstande,
ohne Vorwärtsgeschwindigkeit eine Zeit lang stillstehend, so-
gar etwas steigend in ruhiger Luft sich zu halten.
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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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