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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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Schnelligkeit vorwärts zu fliegen; und so nehmen wir denn
namentlich an vielen Vögeln Fluggeschwindigkeiten wahr,
welche in Erstaunen setzen, indem sie die Geschwindigkeit
der schnellsten Eisenbahnzüge bei weitem übertreffen. Hat
daher eine freie Erhebung von der Erde durch die Fliegekunst
erst stattgefunden, so erscheint es nicht schwer, eine grosse
Geschwindigkeit in der Luft selbst zu erreichen.

Als Eigentümlichkeit beim Bewegen in der Luft haben
wir daher weniger das schnelle Fliegen anzusehen, als viel-
mehr die Fähigkeit, ein Herabfallen aus der Luft zu verhin-
dern, indem das erstere sich fast von selbst ergiebt, sobald
die Bedingungen für das letztere in richtiger Weise erfüllt sind.

Die fliegende Tierwelt und obenan die Vögel liefern den
Beweis, dass die Fortbewegung durch die Luft an Vollkommen-
heit allen anderen Fortbewegungsarten der Tierwelt und auch
den künstlichen Ortsveränderungen der Menschen weit über-
legen ist.

Auch auf dem Lande und im Wasser giebt es Tiere, denen
die Natur grosse Schnelligkeit verliehen hat, teils zur Verfol-
gung ihrer Beute, teils zur Flucht vor dem Stärkeren, eine
Schnelligkeit, die oft unsere Bewunderung erregt. Aber was
sind diese Leistungen gegen die Leistungen der Vogelwelt?

Einem Sturmvogel ist es ein Nichts, den dahinsausenden
Oceandampfer in meilenweiten Kreisen zu umziehen und, nach-
dem er meilenweit hinter ihm zurückgeblieben, ihn im Nu
wieder meilenweit zu überholen.

Mit Begeisterung schildert Brehm, dieser hervorragende
Kenner der Vogelwelt, die Ausdauer der meerbewohnenden
grossen Flieger. Ja, dieser Forscher hält es für erwiesen,
dass ein solcher Vogel auf weitem Ocean Hunderte von Meilen
dem Tag und Nacht unter vollem Dampf dahineilenden Schiffe
folgt, ohne bei seiner kurzen Rast auf dem Wasser die Spur
des schnellen Dampfers zu verlieren und ohne jemals das
Schiff als Ruhepunkt zu wählen.

Diese Vögel scheinen gleichsam in der Luft selbst ihre
Ruhe zu finden, da man sie nicht nur bei Tage, sondern auch

Schnelligkeit vorwärts zu fliegen; und so nehmen wir denn
namentlich an vielen Vögeln Fluggeschwindigkeiten wahr,
welche in Erstaunen setzen, indem sie die Geschwindigkeit
der schnellsten Eisenbahnzüge bei weitem übertreffen. Hat
daher eine freie Erhebung von der Erde durch die Fliegekunst
erst stattgefunden, so erscheint es nicht schwer, eine groſse
Geschwindigkeit in der Luft selbst zu erreichen.

Als Eigentümlichkeit beim Bewegen in der Luft haben
wir daher weniger das schnelle Fliegen anzusehen, als viel-
mehr die Fähigkeit, ein Herabfallen aus der Luft zu verhin-
dern, indem das erstere sich fast von selbst ergiebt, sobald
die Bedingungen für das letztere in richtiger Weise erfüllt sind.

Die fliegende Tierwelt und obenan die Vögel liefern den
Beweis, daſs die Fortbewegung durch die Luft an Vollkommen-
heit allen anderen Fortbewegungsarten der Tierwelt und auch
den künstlichen Ortsveränderungen der Menschen weit über-
legen ist.

Auch auf dem Lande und im Wasser giebt es Tiere, denen
die Natur groſse Schnelligkeit verliehen hat, teils zur Verfol-
gung ihrer Beute, teils zur Flucht vor dem Stärkeren, eine
Schnelligkeit, die oft unsere Bewunderung erregt. Aber was
sind diese Leistungen gegen die Leistungen der Vogelwelt?

Einem Sturmvogel ist es ein Nichts, den dahinsausenden
Oceandampfer in meilenweiten Kreisen zu umziehen und, nach-
dem er meilenweit hinter ihm zurückgeblieben, ihn im Nu
wieder meilenweit zu überholen.

Mit Begeisterung schildert Brehm, dieser hervorragende
Kenner der Vogelwelt, die Ausdauer der meerbewohnenden
groſsen Flieger. Ja, dieser Forscher hält es für erwiesen,
daſs ein solcher Vogel auf weitem Ocean Hunderte von Meilen
dem Tag und Nacht unter vollem Dampf dahineilenden Schiffe
folgt, ohne bei seiner kurzen Rast auf dem Wasser die Spur
des schnellen Dampfers zu verlieren und ohne jemals das
Schiff als Ruhepunkt zu wählen.

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[5/0021] Schnelligkeit vorwärts zu fliegen; und so nehmen wir denn namentlich an vielen Vögeln Fluggeschwindigkeiten wahr, welche in Erstaunen setzen, indem sie die Geschwindigkeit der schnellsten Eisenbahnzüge bei weitem übertreffen. Hat daher eine freie Erhebung von der Erde durch die Fliegekunst erst stattgefunden, so erscheint es nicht schwer, eine groſse Geschwindigkeit in der Luft selbst zu erreichen. Als Eigentümlichkeit beim Bewegen in der Luft haben wir daher weniger das schnelle Fliegen anzusehen, als viel- mehr die Fähigkeit, ein Herabfallen aus der Luft zu verhin- dern, indem das erstere sich fast von selbst ergiebt, sobald die Bedingungen für das letztere in richtiger Weise erfüllt sind. Die fliegende Tierwelt und obenan die Vögel liefern den Beweis, daſs die Fortbewegung durch die Luft an Vollkommen- heit allen anderen Fortbewegungsarten der Tierwelt und auch den künstlichen Ortsveränderungen der Menschen weit über- legen ist. Auch auf dem Lande und im Wasser giebt es Tiere, denen die Natur groſse Schnelligkeit verliehen hat, teils zur Verfol- gung ihrer Beute, teils zur Flucht vor dem Stärkeren, eine Schnelligkeit, die oft unsere Bewunderung erregt. Aber was sind diese Leistungen gegen die Leistungen der Vogelwelt? Einem Sturmvogel ist es ein Nichts, den dahinsausenden Oceandampfer in meilenweiten Kreisen zu umziehen und, nach- dem er meilenweit hinter ihm zurückgeblieben, ihn im Nu wieder meilenweit zu überholen. Mit Begeisterung schildert Brehm, dieser hervorragende Kenner der Vogelwelt, die Ausdauer der meerbewohnenden groſsen Flieger. Ja, dieser Forscher hält es für erwiesen, daſs ein solcher Vogel auf weitem Ocean Hunderte von Meilen dem Tag und Nacht unter vollem Dampf dahineilenden Schiffe folgt, ohne bei seiner kurzen Rast auf dem Wasser die Spur des schnellen Dampfers zu verlieren und ohne jemals das Schiff als Ruhepunkt zu wählen. Diese Vögel scheinen gleichsam in der Luft selbst ihre Ruhe zu finden, da man sie nicht nur bei Tage, sondern auch

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/21>, abgerufen am 27.11.2024.