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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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deren Haus und Hof in jedem Sommer ein grosses Fliegen
dieser 2 m klafternden Vögel beginnt, ein regeres Interesse
für die Fliegekunst an den Tag legen. Aber der Landmann
fürchtet, für einen Windbeutel gehalten zu werden, wenn
jemand erfährt, dass er sich mit einer so brotlosen Kunst
abgiebt. Und dennoch ist der Verfasser aus keinem anderen
Stande so oft als aus diesem angegangen worden, leichte Be-
triebsmaschinen zu einem verschämt geheim gehaltenen Zweck
zu konstruieren.

Gewährt nun schon die Beobachtung des eigentlich wilden
Storches, wenn er diesen Namen überhaupt verdient, viel An-
regendes, so ist der Umgang mit ganz gezähmten Störchen
erst recht interessant und lehrreich. Der junge aus dem Nest
genommene Storch lässt sich mit Fleisch und Fisch leicht
aufkröpfen und gewöhnt sich sehr an seinen Pfleger; er
erreicht einen hohen Grad von Zutraulichkeit und weicht der
liebkosenden Hand seines Herrn nicht aus.

Die Flugübungen solcher jung gezähmter Störche geben
Anlass zu den mannigfaltigsten Betrachtungen. Der Jungen
Wohnstätte ist von den Dächern entfernter Dörfer in den
Garten verlegt, dem sie durch Vertilgung von Ungeziefer sehr
nützlich sind. Mehr wie einen jungen Storch erlangt man
übrigens selten aus einem Nest, das gewöhnlich 4 Junge ent-
hält; denn die Besitzer von Storchnestern hängen mit inniger
Liebe an ihrem Hausfreund auf dem Dache und lassen meist
um keinen Preis irgend welche Störung der Storchfamilie zu.
Man muss es daher schon als eine ganz besondere Vergünsti-
gung betrachten, wenn man ein einziges Junges aus dem Neste
nehmen darf. Die Beschaffung mehrerer junger Störche kann
daher auch nur aus mehreren Nestern, sogar meist nur aus
mehreren Dörfern geschehen. Dies ist aber auch dann nötig,
wenn man Paarungen der gezähmten Störche beabsichtigt,
weil der Storch die Inzucht hasst, und die Geschwister niemals
Paarungen untereinander eingehen.

Im Garten oder Park also wachsen die zahmen Jungen

deren Haus und Hof in jedem Sommer ein groſses Fliegen
dieser 2 m klafternden Vögel beginnt, ein regeres Interesse
für die Fliegekunst an den Tag legen. Aber der Landmann
fürchtet, für einen Windbeutel gehalten zu werden, wenn
jemand erfährt, daſs er sich mit einer so brotlosen Kunst
abgiebt. Und dennoch ist der Verfasser aus keinem anderen
Stande so oft als aus diesem angegangen worden, leichte Be-
triebsmaschinen zu einem verschämt geheim gehaltenen Zweck
zu konstruieren.

Gewährt nun schon die Beobachtung des eigentlich wilden
Storches, wenn er diesen Namen überhaupt verdient, viel An-
regendes, so ist der Umgang mit ganz gezähmten Störchen
erst recht interessant und lehrreich. Der junge aus dem Nest
genommene Storch läſst sich mit Fleisch und Fisch leicht
aufkröpfen und gewöhnt sich sehr an seinen Pfleger; er
erreicht einen hohen Grad von Zutraulichkeit und weicht der
liebkosenden Hand seines Herrn nicht aus.

Die Flugübungen solcher jung gezähmter Störche geben
Anlaſs zu den mannigfaltigsten Betrachtungen. Der Jungen
Wohnstätte ist von den Dächern entfernter Dörfer in den
Garten verlegt, dem sie durch Vertilgung von Ungeziefer sehr
nützlich sind. Mehr wie einen jungen Storch erlangt man
übrigens selten aus einem Nest, das gewöhnlich 4 Junge ent-
hält; denn die Besitzer von Storchnestern hängen mit inniger
Liebe an ihrem Hausfreund auf dem Dache und lassen meist
um keinen Preis irgend welche Störung der Storchfamilie zu.
Man muſs es daher schon als eine ganz besondere Vergünsti-
gung betrachten, wenn man ein einziges Junges aus dem Neste
nehmen darf. Die Beschaffung mehrerer junger Störche kann
daher auch nur aus mehreren Nestern, sogar meist nur aus
mehreren Dörfern geschehen. Dies ist aber auch dann nötig,
wenn man Paarungen der gezähmten Störche beabsichtigt,
weil der Storch die Inzucht haſst, und die Geschwister niemals
Paarungen untereinander eingehen.

Im Garten oder Park also wachsen die zahmen Jungen

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[151/0167] deren Haus und Hof in jedem Sommer ein groſses Fliegen dieser 2 m klafternden Vögel beginnt, ein regeres Interesse für die Fliegekunst an den Tag legen. Aber der Landmann fürchtet, für einen Windbeutel gehalten zu werden, wenn jemand erfährt, daſs er sich mit einer so brotlosen Kunst abgiebt. Und dennoch ist der Verfasser aus keinem anderen Stande so oft als aus diesem angegangen worden, leichte Be- triebsmaschinen zu einem verschämt geheim gehaltenen Zweck zu konstruieren. Gewährt nun schon die Beobachtung des eigentlich wilden Storches, wenn er diesen Namen überhaupt verdient, viel An- regendes, so ist der Umgang mit ganz gezähmten Störchen erst recht interessant und lehrreich. Der junge aus dem Nest genommene Storch läſst sich mit Fleisch und Fisch leicht aufkröpfen und gewöhnt sich sehr an seinen Pfleger; er erreicht einen hohen Grad von Zutraulichkeit und weicht der liebkosenden Hand seines Herrn nicht aus. Die Flugübungen solcher jung gezähmter Störche geben Anlaſs zu den mannigfaltigsten Betrachtungen. Der Jungen Wohnstätte ist von den Dächern entfernter Dörfer in den Garten verlegt, dem sie durch Vertilgung von Ungeziefer sehr nützlich sind. Mehr wie einen jungen Storch erlangt man übrigens selten aus einem Nest, das gewöhnlich 4 Junge ent- hält; denn die Besitzer von Storchnestern hängen mit inniger Liebe an ihrem Hausfreund auf dem Dache und lassen meist um keinen Preis irgend welche Störung der Storchfamilie zu. Man muſs es daher schon als eine ganz besondere Vergünsti- gung betrachten, wenn man ein einziges Junges aus dem Neste nehmen darf. Die Beschaffung mehrerer junger Störche kann daher auch nur aus mehreren Nestern, sogar meist nur aus mehreren Dörfern geschehen. Dies ist aber auch dann nötig, wenn man Paarungen der gezähmten Störche beabsichtigt, weil der Storch die Inzucht haſst, und die Geschwister niemals Paarungen untereinander eingehen. Im Garten oder Park also wachsen die zahmen Jungen

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/167>, abgerufen am 25.11.2024.