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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
entstehen in Folge von Umsetzungen und Veränderungen von
Materien, die früher Theile von Organismen waren, gewisse
Bewegungs- und Thätigkeitsäußerungen, die wir Leben
nennen.

Der electrische Strom giebt sich uns zu erkennen durch
gewisse Erscheinungen der Anziehung und Abstoßung, welche
andere, an und für sich bewegungslose, Materien durch ihn
empfangen, durch Erscheinungen der Bildung und Zersetzung
chemischer Verbindungen, die sich überall äußern, wo der Wi-
derstand die Bewegung nicht aufhebt.

Von diesem Standpunkte allein und von keinem andern
aus darf die Chemie die Lebenserscheinungen studiren. Wunder
finden wir überall; die Bildung eines Krystalls, eines Octae-
ders ist nicht minder unbegreiflich, wie die Entstehung eines
Blatts oder einer Muskelfaser, und die Entstehung des Zin-
nobers aus Quecksilber und Schwefel ist ein ebenso großes
Räthsel, wie die Bildung eines Auges aus der Substanz des
Blutes.

Aufnahme von Nahrungsmitteln und Sauerstoff sind die
ersten Bedingungen des thierischen Lebens.

In jedem Zeittheilchen seines Lebens nimmt der Mensch
durch die Organe der Respiration Sauerstoff auf; nie ist, so
lange das Thier lebt, ein Stillstand bemerklich.

Die Beobachtungen der Physiologen zeigen, daß der Kör-
per eines erwachsenen Menschen, nach 24 Stunden, bei hin-
länglicher Nahrung, am Gewicht weder zu- noch abgenom-
men hat, dennoch ist die Menge von Sauerstoff, die in dieser

Der chemiſche Proceß der
entſtehen in Folge von Umſetzungen und Veränderungen von
Materien, die früher Theile von Organismen waren, gewiſſe
Bewegungs- und Thätigkeitsäußerungen, die wir Leben
nennen.

Der electriſche Strom giebt ſich uns zu erkennen durch
gewiſſe Erſcheinungen der Anziehung und Abſtoßung, welche
andere, an und für ſich bewegungsloſe, Materien durch ihn
empfangen, durch Erſcheinungen der Bildung und Zerſetzung
chemiſcher Verbindungen, die ſich überall äußern, wo der Wi-
derſtand die Bewegung nicht aufhebt.

Von dieſem Standpunkte allein und von keinem andern
aus darf die Chemie die Lebenserſcheinungen ſtudiren. Wunder
finden wir überall; die Bildung eines Kryſtalls, eines Octae-
ders iſt nicht minder unbegreiflich, wie die Entſtehung eines
Blatts oder einer Muskelfaſer, und die Entſtehung des Zin-
nobers aus Queckſilber und Schwefel iſt ein ebenſo großes
Räthſel, wie die Bildung eines Auges aus der Subſtanz des
Blutes.

Aufnahme von Nahrungsmitteln und Sauerſtoff ſind die
erſten Bedingungen des thieriſchen Lebens.

In jedem Zeittheilchen ſeines Lebens nimmt der Menſch
durch die Organe der Reſpiration Sauerſtoff auf; nie iſt, ſo
lange das Thier lebt, ein Stillſtand bemerklich.

Die Beobachtungen der Phyſiologen zeigen, daß der Kör-
per eines erwachſenen Menſchen, nach 24 Stunden, bei hin-
länglicher Nahrung, am Gewicht weder zu- noch abgenom-
men hat, dennoch iſt die Menge von Sauerſtoff, die in dieſer

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[12/0036] Der chemiſche Proceß der entſtehen in Folge von Umſetzungen und Veränderungen von Materien, die früher Theile von Organismen waren, gewiſſe Bewegungs- und Thätigkeitsäußerungen, die wir Leben nennen. Der electriſche Strom giebt ſich uns zu erkennen durch gewiſſe Erſcheinungen der Anziehung und Abſtoßung, welche andere, an und für ſich bewegungsloſe, Materien durch ihn empfangen, durch Erſcheinungen der Bildung und Zerſetzung chemiſcher Verbindungen, die ſich überall äußern, wo der Wi- derſtand die Bewegung nicht aufhebt. Von dieſem Standpunkte allein und von keinem andern aus darf die Chemie die Lebenserſcheinungen ſtudiren. Wunder finden wir überall; die Bildung eines Kryſtalls, eines Octae- ders iſt nicht minder unbegreiflich, wie die Entſtehung eines Blatts oder einer Muskelfaſer, und die Entſtehung des Zin- nobers aus Queckſilber und Schwefel iſt ein ebenſo großes Räthſel, wie die Bildung eines Auges aus der Subſtanz des Blutes. Aufnahme von Nahrungsmitteln und Sauerſtoff ſind die erſten Bedingungen des thieriſchen Lebens. In jedem Zeittheilchen ſeines Lebens nimmt der Menſch durch die Organe der Reſpiration Sauerſtoff auf; nie iſt, ſo lange das Thier lebt, ein Stillſtand bemerklich. Die Beobachtungen der Phyſiologen zeigen, daß der Kör- per eines erwachſenen Menſchen, nach 24 Stunden, bei hin- länglicher Nahrung, am Gewicht weder zu- noch abgenom- men hat, dennoch iſt die Menge von Sauerſtoff, die in dieſer

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/36>, abgerufen am 24.11.2024.