Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.
stellen wollen. Das Gut wird bewirthschaftet ohne Zufuhr
von Stickstoff in irgend einer Form von Außen.

Jedes Jahr nun werden die Producte dieser Oekonomie
ausgetauscht gegen Geld und andere Bedürfnisse des Lebens,
gegen Materialien, die keinen Stickstoff enthalten. Mit dem
Getreide, mit dem Vieh führen wir aber ein bestimmtes Quan-
tum Stickstoff aus, und diese Ausfuhr erneuert sich jedes Jahr
ohne den geringsten Ersatz; in einer gewissen Anzahl von Jah-
ren nimmt das Inventarium an Stickstoff noch überdieß zu.
Wo kommt, kann man fragen, der jährlich ausgeführte Stick-
stoff her? (Boussingault.)

Der Stickstoff in den Excrementen kann sich nicht reprodu-
ciren, die Erde kann keinen Stickstoff liefern, es kann nur die
Atmosphäre sein, aus welcher die Pflanzen und in Folge da-
von die Thiere ihren Stickstoff schöpfen. (Boussingault.)

Es wird in dem zweiten Theil entwickelt werden, daß die
letzten Producte der Fäulniß und Verwesung stickstoffhaltiger
thierischer Körper in zwei Formen auftreten, in den gemäßigten
und kalten Climaten in der Form der Wasserstoffverbindung des
Stickstoffs, als Ammoniak, unter den Tropen in der Form sei-
ner Sauerstoffverbindung, der Salpetersäure, daß aber der Bil-
dung der letzteren stets die Erzeugung der ersteren vorangeht.
Ammoniak ist das letzte Product der Fäulniß animalischer Kör-
per, Salpetersäure ist das Product der Verwesung des Am-
moniaks. Eine Generation von einer Milliarde Menschen er-
neuert sich alle dreißig Jahre; Milliarden von Thieren gehen
unter, und reproduciren sich in noch kürzeren Perioden. Wo
ist der Stickstoff hingekommen, den sie im lebenden Zustande
enthielten?

Keine Frage läßt sich mit größerer Sicherheit und Gewiß-
heit beantworten. Die Leiber aller Thiere und Menschen ge-

5*

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.
ſtellen wollen. Das Gut wird bewirthſchaftet ohne Zufuhr
von Stickſtoff in irgend einer Form von Außen.

Jedes Jahr nun werden die Producte dieſer Oekonomie
ausgetauſcht gegen Geld und andere Bedürfniſſe des Lebens,
gegen Materialien, die keinen Stickſtoff enthalten. Mit dem
Getreide, mit dem Vieh führen wir aber ein beſtimmtes Quan-
tum Stickſtoff aus, und dieſe Ausfuhr erneuert ſich jedes Jahr
ohne den geringſten Erſatz; in einer gewiſſen Anzahl von Jah-
ren nimmt das Inventarium an Stickſtoff noch überdieß zu.
Wo kommt, kann man fragen, der jährlich ausgeführte Stick-
ſtoff her? (Bouſſingault.)

Der Stickſtoff in den Excrementen kann ſich nicht reprodu-
ciren, die Erde kann keinen Stickſtoff liefern, es kann nur die
Atmoſphäre ſein, aus welcher die Pflanzen und in Folge da-
von die Thiere ihren Stickſtoff ſchöpfen. (Bouſſingault.)

Es wird in dem zweiten Theil entwickelt werden, daß die
letzten Producte der Fäulniß und Verweſung ſtickſtoffhaltiger
thieriſcher Körper in zwei Formen auftreten, in den gemäßigten
und kalten Climaten in der Form der Waſſerſtoffverbindung des
Stickſtoffs, als Ammoniak, unter den Tropen in der Form ſei-
ner Sauerſtoffverbindung, der Salpeterſäure, daß aber der Bil-
dung der letzteren ſtets die Erzeugung der erſteren vorangeht.
Ammoniak iſt das letzte Product der Fäulniß animaliſcher Kör-
per, Salpeterſäure iſt das Product der Verweſung des Am-
moniaks. Eine Generation von einer Milliarde Menſchen er-
neuert ſich alle dreißig Jahre; Milliarden von Thieren gehen
unter, und reproduciren ſich in noch kürzeren Perioden. Wo
iſt der Stickſtoff hingekommen, den ſie im lebenden Zuſtande
enthielten?

Keine Frage läßt ſich mit größerer Sicherheit und Gewiß-
heit beantworten. Die Leiber aller Thiere und Menſchen ge-

5*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="67"/><fw place="top" type="header">Der Ur&#x017F;prung und die A&#x017F;&#x017F;imilation des Stick&#x017F;toffs.</fw><lb/>
&#x017F;tellen wollen. Das Gut wird bewirth&#x017F;chaftet ohne Zufuhr<lb/>
von Stick&#x017F;toff in irgend einer Form von Außen.</p><lb/>
          <p>Jedes Jahr nun werden die Producte die&#x017F;er Oekonomie<lb/>
ausgetau&#x017F;cht gegen Geld und andere Bedürfni&#x017F;&#x017F;e des Lebens,<lb/>
gegen Materialien, die keinen Stick&#x017F;toff enthalten. Mit dem<lb/>
Getreide, mit dem Vieh führen wir aber ein be&#x017F;timmtes Quan-<lb/>
tum Stick&#x017F;toff aus, und die&#x017F;e Ausfuhr erneuert &#x017F;ich jedes Jahr<lb/>
ohne den gering&#x017F;ten Er&#x017F;atz; in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Anzahl von Jah-<lb/>
ren nimmt das Inventarium an Stick&#x017F;toff noch überdieß zu.<lb/>
Wo kommt, kann man fragen, der jährlich ausgeführte Stick-<lb/>
&#x017F;toff her? (<hi rendition="#g">Bou&#x017F;&#x017F;ingault</hi>.)</p><lb/>
          <p>Der Stick&#x017F;toff in den Excrementen kann &#x017F;ich nicht reprodu-<lb/>
ciren, die Erde kann keinen Stick&#x017F;toff liefern, es kann nur die<lb/>
Atmo&#x017F;phäre &#x017F;ein, aus welcher die Pflanzen und in Folge da-<lb/>
von die Thiere ihren Stick&#x017F;toff &#x017F;chöpfen. (<hi rendition="#g">Bou&#x017F;&#x017F;ingault</hi>.)</p><lb/>
          <p>Es wird in dem zweiten Theil entwickelt werden, daß die<lb/>
letzten Producte der Fäulniß und Verwe&#x017F;ung &#x017F;tick&#x017F;toffhaltiger<lb/>
thieri&#x017F;cher Körper in zwei Formen auftreten, in den gemäßigten<lb/>
und kalten Climaten in der Form der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffverbindung des<lb/>
Stick&#x017F;toffs, als Ammoniak, unter den Tropen in der Form &#x017F;ei-<lb/>
ner Sauer&#x017F;toffverbindung, der Salpeter&#x017F;äure, daß aber der Bil-<lb/>
dung der letzteren &#x017F;tets die Erzeugung der er&#x017F;teren vorangeht.<lb/>
Ammoniak i&#x017F;t das letzte Product der Fäulniß animali&#x017F;cher Kör-<lb/>
per, Salpeter&#x017F;äure i&#x017F;t das Product der Verwe&#x017F;ung des Am-<lb/>
moniaks. Eine Generation von einer Milliarde Men&#x017F;chen er-<lb/>
neuert &#x017F;ich alle dreißig Jahre; Milliarden von Thieren gehen<lb/>
unter, und reproduciren &#x017F;ich in noch kürzeren Perioden. Wo<lb/>
i&#x017F;t der Stick&#x017F;toff hingekommen, den &#x017F;ie im lebenden Zu&#x017F;tande<lb/>
enthielten?</p><lb/>
          <p>Keine Frage läßt &#x017F;ich mit größerer Sicherheit und Gewiß-<lb/>
heit beantworten. Die Leiber aller Thiere und Men&#x017F;chen ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">5*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0085] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. ſtellen wollen. Das Gut wird bewirthſchaftet ohne Zufuhr von Stickſtoff in irgend einer Form von Außen. Jedes Jahr nun werden die Producte dieſer Oekonomie ausgetauſcht gegen Geld und andere Bedürfniſſe des Lebens, gegen Materialien, die keinen Stickſtoff enthalten. Mit dem Getreide, mit dem Vieh führen wir aber ein beſtimmtes Quan- tum Stickſtoff aus, und dieſe Ausfuhr erneuert ſich jedes Jahr ohne den geringſten Erſatz; in einer gewiſſen Anzahl von Jah- ren nimmt das Inventarium an Stickſtoff noch überdieß zu. Wo kommt, kann man fragen, der jährlich ausgeführte Stick- ſtoff her? (Bouſſingault.) Der Stickſtoff in den Excrementen kann ſich nicht reprodu- ciren, die Erde kann keinen Stickſtoff liefern, es kann nur die Atmoſphäre ſein, aus welcher die Pflanzen und in Folge da- von die Thiere ihren Stickſtoff ſchöpfen. (Bouſſingault.) Es wird in dem zweiten Theil entwickelt werden, daß die letzten Producte der Fäulniß und Verweſung ſtickſtoffhaltiger thieriſcher Körper in zwei Formen auftreten, in den gemäßigten und kalten Climaten in der Form der Waſſerſtoffverbindung des Stickſtoffs, als Ammoniak, unter den Tropen in der Form ſei- ner Sauerſtoffverbindung, der Salpeterſäure, daß aber der Bil- dung der letzteren ſtets die Erzeugung der erſteren vorangeht. Ammoniak iſt das letzte Product der Fäulniß animaliſcher Kör- per, Salpeterſäure iſt das Product der Verweſung des Am- moniaks. Eine Generation von einer Milliarde Menſchen er- neuert ſich alle dreißig Jahre; Milliarden von Thieren gehen unter, und reproduciren ſich in noch kürzeren Perioden. Wo iſt der Stickſtoff hingekommen, den ſie im lebenden Zuſtande enthielten? Keine Frage läßt ſich mit größerer Sicherheit und Gewiß- heit beantworten. Die Leiber aller Thiere und Menſchen ge- 5*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/85
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/85>, abgerufen am 25.11.2024.