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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursprung und Verhalten des Humus.
Nahrung zuzuführen. Mit jeder Wurzelfaser, jedem
Blatt gewinnt die Pflanze einen Mund und Magen mehr.

Der Thätigkeit der Wurzeln, Nahrung aufzunehmen, wird
nur durch Mangel eine Grenze gesetzt, ist sie im Ueberfluß
vorhanden, und wird sie zur Ausbildung der vorhandenen Or-
gane nicht völlig verzehrt, so kehrt dieser Ueberschuß nicht in
den Boden zurück, sondern er wird in der Pflanze zur Her-
vorbringung von neuen Organen verwendet.

Neben der vorhandenen Zelle entsteht eine neue, neben dem
entstandenen Zweig und Blatt entwickelt sich ein neuer Zweig,
ein neues Blatt; ohne Ueberschuß an Nahrung wären diese
nicht zur Entwickelung gekommen. Der in dem Saamen ent-
wickelte Zucker und Schleim verschwindet mit der Ausbildung
der Wurzelfasern, der in dem Holzkörper, in den Wurzeln entste-
hende Zucker und Schleim verschwindet mit der Entwickelung
der Knospen, grünen Triebe und Blätter.

Mit der Ausbildung, mit der Anzahl der Organe, der
Zweige und Blätter, denen die Atmosphäre Nahrung liefert,
wächst in dem nämlichen Verhältniß ihre Fähigkeit, Nahrung
aufzunehmen und an Masse zuzunehmen, denn diese Fähigkeit
nimmt im Verhältniß wie ihre Oberfläche zu.

Die ausgebildeten Blätter, Triebe und Zweige bedürfen
zu ihrer eigenen Erhaltung der Nahrung nicht mehr, sie neh-
men an Umfang nicht mehr zu; um als Organe fortzubestehen,
haben sie ausschließlich nur die Mittel nöthig, die Func-
tion zu unterhalten, zu der sie die Natur bestimmt hat, sie
sind nicht ihrer selbst wegen vorhanden.

Wir wissen, daß diese Function in ihrer Fähigkeit besteht,
die Kohlensäure der Luft einzusaugen und unter dem Einfluß
des Lichts, bei Gegenwart von Feuchtigkeit, ihren Kohlenstoff
sich anzueignen.

Urſprung und Verhalten des Humus.
Nahrung zuzuführen. Mit jeder Wurzelfaſer, jedem
Blatt gewinnt die Pflanze einen Mund und Magen mehr.

Der Thätigkeit der Wurzeln, Nahrung aufzunehmen, wird
nur durch Mangel eine Grenze geſetzt, iſt ſie im Ueberfluß
vorhanden, und wird ſie zur Ausbildung der vorhandenen Or-
gane nicht völlig verzehrt, ſo kehrt dieſer Ueberſchuß nicht in
den Boden zurück, ſondern er wird in der Pflanze zur Her-
vorbringung von neuen Organen verwendet.

Neben der vorhandenen Zelle entſteht eine neue, neben dem
entſtandenen Zweig und Blatt entwickelt ſich ein neuer Zweig,
ein neues Blatt; ohne Ueberſchuß an Nahrung wären dieſe
nicht zur Entwickelung gekommen. Der in dem Saamen ent-
wickelte Zucker und Schleim verſchwindet mit der Ausbildung
der Wurzelfaſern, der in dem Holzkörper, in den Wurzeln entſte-
hende Zucker und Schleim verſchwindet mit der Entwickelung
der Knospen, grünen Triebe und Blätter.

Mit der Ausbildung, mit der Anzahl der Organe, der
Zweige und Blätter, denen die Atmoſphäre Nahrung liefert,
wächſt in dem nämlichen Verhältniß ihre Fähigkeit, Nahrung
aufzunehmen und an Maſſe zuzunehmen, denn dieſe Fähigkeit
nimmt im Verhältniß wie ihre Oberfläche zu.

Die ausgebildeten Blätter, Triebe und Zweige bedürfen
zu ihrer eigenen Erhaltung der Nahrung nicht mehr, ſie neh-
men an Umfang nicht mehr zu; um als Organe fortzubeſtehen,
haben ſie ausſchließlich nur die Mittel nöthig, die Func-
tion zu unterhalten, zu der ſie die Natur beſtimmt hat, ſie
ſind nicht ihrer ſelbſt wegen vorhanden.

Wir wiſſen, daß dieſe Function in ihrer Fähigkeit beſteht,
die Kohlenſäure der Luft einzuſaugen und unter dem Einfluß
des Lichts, bei Gegenwart von Feuchtigkeit, ihren Kohlenſtoff
ſich anzueignen.

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[47/0065] Urſprung und Verhalten des Humus. Nahrung zuzuführen. Mit jeder Wurzelfaſer, jedem Blatt gewinnt die Pflanze einen Mund und Magen mehr. Der Thätigkeit der Wurzeln, Nahrung aufzunehmen, wird nur durch Mangel eine Grenze geſetzt, iſt ſie im Ueberfluß vorhanden, und wird ſie zur Ausbildung der vorhandenen Or- gane nicht völlig verzehrt, ſo kehrt dieſer Ueberſchuß nicht in den Boden zurück, ſondern er wird in der Pflanze zur Her- vorbringung von neuen Organen verwendet. Neben der vorhandenen Zelle entſteht eine neue, neben dem entſtandenen Zweig und Blatt entwickelt ſich ein neuer Zweig, ein neues Blatt; ohne Ueberſchuß an Nahrung wären dieſe nicht zur Entwickelung gekommen. Der in dem Saamen ent- wickelte Zucker und Schleim verſchwindet mit der Ausbildung der Wurzelfaſern, der in dem Holzkörper, in den Wurzeln entſte- hende Zucker und Schleim verſchwindet mit der Entwickelung der Knospen, grünen Triebe und Blätter. Mit der Ausbildung, mit der Anzahl der Organe, der Zweige und Blätter, denen die Atmoſphäre Nahrung liefert, wächſt in dem nämlichen Verhältniß ihre Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen und an Maſſe zuzunehmen, denn dieſe Fähigkeit nimmt im Verhältniß wie ihre Oberfläche zu. Die ausgebildeten Blätter, Triebe und Zweige bedürfen zu ihrer eigenen Erhaltung der Nahrung nicht mehr, ſie neh- men an Umfang nicht mehr zu; um als Organe fortzubeſtehen, haben ſie ausſchließlich nur die Mittel nöthig, die Func- tion zu unterhalten, zu der ſie die Natur beſtimmt hat, ſie ſind nicht ihrer ſelbſt wegen vorhanden. Wir wiſſen, daß dieſe Function in ihrer Fähigkeit beſteht, die Kohlenſäure der Luft einzuſaugen und unter dem Einfluß des Lichts, bei Gegenwart von Feuchtigkeit, ihren Kohlenſtoff ſich anzueignen.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/65>, abgerufen am 25.11.2024.