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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursprung und Verhalten des Humus.
bei einem gewissen Grade der Entwickelung der Pflanze ist
sie es selbst, welche diesen Luftwechsel bewirkt. Die Atmosphäre
von Kohlensäure, welche den unverwes'ten Theil des Humus
vor weiterer Veränderung schützt, wird von den feinen Wur-
zelhaaren, den Wurzeln selbst, aufgesaugt und hinweggenommen,
sie wird ersetzt durch atmosphärische Luft, die ihren Platz nimmt;
die Verwesung schreitet fort, es wird eine neue Quantität Koh-
lensäure gebildet. In dieser Zeit empfängt die Pflanze von
den Wurzeln und äußeren Organen gleichzeitig Nahrung, sie
schreitet rasch ihrer Vollendung entgegen.

Ist die Pflanze völlig entwickelt, sind ihre Organe der Er-
nährung völlig ausgebildet, so bedarf sie der Kohlensäure des
Bodens nicht mehr.

Mangel an Feuchtigkeit, völlige Trockenheit des Bodens
hemmen die Vollendung ihrer Entwickelung nicht mehr, wenn
sie vom Thau und der Luft so viel Feuchtigkeit empfängt,
als sie zur Vermittelung der Assimilation bedarf; im hei-
ßen Sommer schöpft sie den Kohlenstoff ausschließlich aus der
Luft.

Wir wissen bei den Pflanzen nicht, welche Höhe und Stärke
ihnen die Natur angewiesen hat, wir kennen nur das gewöhn-
liche Maaß ihrer Größe.

Als große werthvolle Seltenheiten sieht man in London
und Amsterdam Eichbäume, von chinesischen Gärtnern gezogen,
von anderthalb Fuß Höhe, deren Stamm, Rinde, Zweige und
ganzer Habitus ein ehrwürdiges Alter erkennen lassen, und die
kleine Teltower Rübe wird in einem Boden, wo ihr frei steht,
so viel Nahrung aufzunehmen, als sie kann, zu einem mehrere
Pfunde schweren Dickwanst.

Die Masse einer Pflanze steht im Verhältniß zu
der Oberfläche der Organe, welche bestimmt sind,

Urſprung und Verhalten des Humus.
bei einem gewiſſen Grade der Entwickelung der Pflanze iſt
ſie es ſelbſt, welche dieſen Luftwechſel bewirkt. Die Atmoſphäre
von Kohlenſäure, welche den unverweſ’ten Theil des Humus
vor weiterer Veränderung ſchützt, wird von den feinen Wur-
zelhaaren, den Wurzeln ſelbſt, aufgeſaugt und hinweggenommen,
ſie wird erſetzt durch atmoſphäriſche Luft, die ihren Platz nimmt;
die Verweſung ſchreitet fort, es wird eine neue Quantität Koh-
lenſäure gebildet. In dieſer Zeit empfängt die Pflanze von
den Wurzeln und äußeren Organen gleichzeitig Nahrung, ſie
ſchreitet raſch ihrer Vollendung entgegen.

Iſt die Pflanze völlig entwickelt, ſind ihre Organe der Er-
nährung völlig ausgebildet, ſo bedarf ſie der Kohlenſäure des
Bodens nicht mehr.

Mangel an Feuchtigkeit, völlige Trockenheit des Bodens
hemmen die Vollendung ihrer Entwickelung nicht mehr, wenn
ſie vom Thau und der Luft ſo viel Feuchtigkeit empfängt,
als ſie zur Vermittelung der Aſſimilation bedarf; im hei-
ßen Sommer ſchöpft ſie den Kohlenſtoff ausſchließlich aus der
Luft.

Wir wiſſen bei den Pflanzen nicht, welche Höhe und Stärke
ihnen die Natur angewieſen hat, wir kennen nur das gewöhn-
liche Maaß ihrer Größe.

Als große werthvolle Seltenheiten ſieht man in London
und Amſterdam Eichbäume, von chineſiſchen Gärtnern gezogen,
von anderthalb Fuß Höhe, deren Stamm, Rinde, Zweige und
ganzer Habitus ein ehrwürdiges Alter erkennen laſſen, und die
kleine Teltower Rübe wird in einem Boden, wo ihr frei ſteht,
ſo viel Nahrung aufzunehmen, als ſie kann, zu einem mehrere
Pfunde ſchweren Dickwanſt.

Die Maſſe einer Pflanze ſteht im Verhältniß zu
der Oberfläche der Organe, welche beſtimmt ſind,

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[46/0064] Urſprung und Verhalten des Humus. bei einem gewiſſen Grade der Entwickelung der Pflanze iſt ſie es ſelbſt, welche dieſen Luftwechſel bewirkt. Die Atmoſphäre von Kohlenſäure, welche den unverweſ’ten Theil des Humus vor weiterer Veränderung ſchützt, wird von den feinen Wur- zelhaaren, den Wurzeln ſelbſt, aufgeſaugt und hinweggenommen, ſie wird erſetzt durch atmoſphäriſche Luft, die ihren Platz nimmt; die Verweſung ſchreitet fort, es wird eine neue Quantität Koh- lenſäure gebildet. In dieſer Zeit empfängt die Pflanze von den Wurzeln und äußeren Organen gleichzeitig Nahrung, ſie ſchreitet raſch ihrer Vollendung entgegen. Iſt die Pflanze völlig entwickelt, ſind ihre Organe der Er- nährung völlig ausgebildet, ſo bedarf ſie der Kohlenſäure des Bodens nicht mehr. Mangel an Feuchtigkeit, völlige Trockenheit des Bodens hemmen die Vollendung ihrer Entwickelung nicht mehr, wenn ſie vom Thau und der Luft ſo viel Feuchtigkeit empfängt, als ſie zur Vermittelung der Aſſimilation bedarf; im hei- ßen Sommer ſchöpft ſie den Kohlenſtoff ausſchließlich aus der Luft. Wir wiſſen bei den Pflanzen nicht, welche Höhe und Stärke ihnen die Natur angewieſen hat, wir kennen nur das gewöhn- liche Maaß ihrer Größe. Als große werthvolle Seltenheiten ſieht man in London und Amſterdam Eichbäume, von chineſiſchen Gärtnern gezogen, von anderthalb Fuß Höhe, deren Stamm, Rinde, Zweige und ganzer Habitus ein ehrwürdiges Alter erkennen laſſen, und die kleine Teltower Rübe wird in einem Boden, wo ihr frei ſteht, ſo viel Nahrung aufzunehmen, als ſie kann, zu einem mehrere Pfunde ſchweren Dickwanſt. Die Maſſe einer Pflanze ſteht im Verhältniß zu der Oberfläche der Organe, welche beſtimmt ſind,

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/64>, abgerufen am 25.11.2024.