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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Gift, Contagien, Miasmen.
verspäteter und unvollkommener Räucherung gehen sie in eine
eigenthümliche Art von Fäulniß über, welche von dem Mittel-
punkte der Wurst ihren Anfang nimmt. Ohne bemerkbare
Gasentwickelung färben sie sich inwendig heller, die in Zer-
setzung übergegangenen Theile sind weicher und schmieriger, als
die gesunden, sie enthalten freie Milchsäure oder milchsaures
Ammoniak, die unter den Producten faulender thierischer und
vegetabilischer Materien niemals fehlen.

Man hat die Ursache der Giftigkeit dieser Würste der Blau-
säure
, später der Fettsäure zugeschrieben, ohne nur entfernt
das Vorhandensein dieser Materien bewiesen zu haben; allein
die Fettsäure ist ebenso wenig giftig, wie die Benzoesäure, mit
der sie viele Eigenschaften gemein hat, und die Vergiftungs-
symptome weisen die Meinung, daß das Gift in den Würsten
Blausäure sei, auf das entschiedenste zurück.

Der menschliche Körper stirbt nämlich nach dem Genuß
dieser giftigen Würste, an einer allmäligen Verschwindung der
Muskelfaser und aller ihr ähnlich zusammengesetzten Bestand-
theile des Körpers; der Kranke trocknet völlig zu einer Mumie
aus, die Leichen sind steif, wie gefroren, und gehen nicht in
Fäulniß über. Während der Krankheit ist der Speichel zähe
und stinkend.

Man hat vergeblich in diesen Würsten nach einem Stoffe
gesucht, dem man die giftige Wirkung zuschreiben könnte. Sie-
dendes Wasser und Behandlung mit Alkohol rauben denselben
völlig ihre Giftigkeit, ohne daß sie diese Flüssigkeiten erhalten.

Dieß ist nun gerade der ausschließliche Character aller
Materien, welche durch ihren Zustand eine Wirkung ausüben,
es ist dieß der Character derjenigen Substanzen, deren Theile
sich in einem Act der Zersetzung befinden, in einem Zustande
der Umsetzung, welcher durch Siedhitze und Alkohol aufgehoben

Gift, Contagien, Miasmen.
verſpäteter und unvollkommener Räucherung gehen ſie in eine
eigenthümliche Art von Fäulniß über, welche von dem Mittel-
punkte der Wurſt ihren Anfang nimmt. Ohne bemerkbare
Gasentwickelung färben ſie ſich inwendig heller, die in Zer-
ſetzung übergegangenen Theile ſind weicher und ſchmieriger, als
die geſunden, ſie enthalten freie Milchſäure oder milchſaures
Ammoniak, die unter den Producten faulender thieriſcher und
vegetabiliſcher Materien niemals fehlen.

Man hat die Urſache der Giftigkeit dieſer Würſte der Blau-
ſäure
, ſpäter der Fettſäure zugeſchrieben, ohne nur entfernt
das Vorhandenſein dieſer Materien bewieſen zu haben; allein
die Fettſäure iſt ebenſo wenig giftig, wie die Benzoeſäure, mit
der ſie viele Eigenſchaften gemein hat, und die Vergiftungs-
ſymptome weiſen die Meinung, daß das Gift in den Würſten
Blauſäure ſei, auf das entſchiedenſte zurück.

Der menſchliche Körper ſtirbt nämlich nach dem Genuß
dieſer giftigen Würſte, an einer allmäligen Verſchwindung der
Muskelfaſer und aller ihr ähnlich zuſammengeſetzten Beſtand-
theile des Körpers; der Kranke trocknet völlig zu einer Mumie
aus, die Leichen ſind ſteif, wie gefroren, und gehen nicht in
Fäulniß über. Während der Krankheit iſt der Speichel zähe
und ſtinkend.

Man hat vergeblich in dieſen Würſten nach einem Stoffe
geſucht, dem man die giftige Wirkung zuſchreiben könnte. Sie-
dendes Waſſer und Behandlung mit Alkohol rauben denſelben
völlig ihre Giftigkeit, ohne daß ſie dieſe Flüſſigkeiten erhalten.

Dieß iſt nun gerade der ausſchließliche Character aller
Materien, welche durch ihren Zuſtand eine Wirkung ausüben,
es iſt dieß der Character derjenigen Subſtanzen, deren Theile
ſich in einem Act der Zerſetzung befinden, in einem Zuſtande
der Umſetzung, welcher durch Siedhitze und Alkohol aufgehoben

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[315/0333] Gift, Contagien, Miasmen. verſpäteter und unvollkommener Räucherung gehen ſie in eine eigenthümliche Art von Fäulniß über, welche von dem Mittel- punkte der Wurſt ihren Anfang nimmt. Ohne bemerkbare Gasentwickelung färben ſie ſich inwendig heller, die in Zer- ſetzung übergegangenen Theile ſind weicher und ſchmieriger, als die geſunden, ſie enthalten freie Milchſäure oder milchſaures Ammoniak, die unter den Producten faulender thieriſcher und vegetabiliſcher Materien niemals fehlen. Man hat die Urſache der Giftigkeit dieſer Würſte der Blau- ſäure, ſpäter der Fettſäure zugeſchrieben, ohne nur entfernt das Vorhandenſein dieſer Materien bewieſen zu haben; allein die Fettſäure iſt ebenſo wenig giftig, wie die Benzoeſäure, mit der ſie viele Eigenſchaften gemein hat, und die Vergiftungs- ſymptome weiſen die Meinung, daß das Gift in den Würſten Blauſäure ſei, auf das entſchiedenſte zurück. Der menſchliche Körper ſtirbt nämlich nach dem Genuß dieſer giftigen Würſte, an einer allmäligen Verſchwindung der Muskelfaſer und aller ihr ähnlich zuſammengeſetzten Beſtand- theile des Körpers; der Kranke trocknet völlig zu einer Mumie aus, die Leichen ſind ſteif, wie gefroren, und gehen nicht in Fäulniß über. Während der Krankheit iſt der Speichel zähe und ſtinkend. Man hat vergeblich in dieſen Würſten nach einem Stoffe geſucht, dem man die giftige Wirkung zuſchreiben könnte. Sie- dendes Waſſer und Behandlung mit Alkohol rauben denſelben völlig ihre Giftigkeit, ohne daß ſie dieſe Flüſſigkeiten erhalten. Dieß iſt nun gerade der ausſchließliche Character aller Materien, welche durch ihren Zuſtand eine Wirkung ausüben, es iſt dieß der Character derjenigen Subſtanzen, deren Theile ſich in einem Act der Zerſetzung befinden, in einem Zuſtande der Umſetzung, welcher durch Siedhitze und Alkohol aufgehoben

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/333>, abgerufen am 24.11.2024.