Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Gift, Contagien, Miasmen.
des Magens z. B., durch seine wunderbare Fähigkeit, alle einer
Metamorphose fähigen, organischen Stoffe bestimmt werden,
neue Formen anzunehmen, während er ihre Elemente zwingt,
zu einer und der nämlichen Substanz zusammenzutreten, welche
bestimmt ist zur Blutbildung, fehlt dem Blute alle Fähigkeit,
Metamorphosen zu bewirken; sein Hauptcharacter ist es grade,
sich zu Metamorphosen zu eignen. Keine andere Materie kann
in dieser Beziehung mit dem Blute verglichen werden.

Wir wissen nun, daß in Fäulniß begriffenes Blut, Gehirn-
substanz, Galle, faulender Eiter etc. auf frische Wunden gelegt,
Erbrechen, Mattigkeit und, nach längerer oder kürzerer Zeit, den
Tod bewirken.

Es ist eine nicht minder bekannte Erfahrung, daß Leichen
auf anatomischen Theatern häufig in einen Zustand der Zer-
setzung übergehen, der sich dem Blute im lebenden Körper mit-
theilt; die kleinste Verwundung mit Messern, die zur Section
gedient haben, bringt einen lebensgefährlichen Krankheitszu-
stand hervor.

Das Wurstgift, eins der furchtbarsten Gifte, gehört zur
Klasse dieser in Zersetzung begriffenen Körper.

Man kennt bis jetzt mehrere hundert Fälle, wo der Tod
durch den Genuß verdorbener Würste verursacht wurde.

Vergiftungsfälle dieser Art kommen namentlich in Würtem-
berg vor, wo man gewohnt ist, die Würste aus höchst ver-
schiedenartigen Materien zu bereiten.

Blut, Leber, Speck, Gehirn, Kuhmilch, Mehl und Brod
werden mit Salz und Gewürzen zusammengemengt, in Blasen
oder Gedärmen gefüllt, gekocht und geräuchert.

Bei guter Zubereitung halten sich diese Würste Monate
lang und geben ein gesundes wohlschmeckendes Nahrungsmittel
ab, beim Mangel an Gewürzen und Salz, und namentlich bei

Gift, Contagien, Miasmen.
des Magens z. B., durch ſeine wunderbare Fähigkeit, alle einer
Metamorphoſe fähigen, organiſchen Stoffe beſtimmt werden,
neue Formen anzunehmen, während er ihre Elemente zwingt,
zu einer und der nämlichen Subſtanz zuſammenzutreten, welche
beſtimmt iſt zur Blutbildung, fehlt dem Blute alle Fähigkeit,
Metamorphoſen zu bewirken; ſein Hauptcharacter iſt es grade,
ſich zu Metamorphoſen zu eignen. Keine andere Materie kann
in dieſer Beziehung mit dem Blute verglichen werden.

Wir wiſſen nun, daß in Fäulniß begriffenes Blut, Gehirn-
ſubſtanz, Galle, faulender Eiter ꝛc. auf friſche Wunden gelegt,
Erbrechen, Mattigkeit und, nach längerer oder kürzerer Zeit, den
Tod bewirken.

Es iſt eine nicht minder bekannte Erfahrung, daß Leichen
auf anatomiſchen Theatern häufig in einen Zuſtand der Zer-
ſetzung übergehen, der ſich dem Blute im lebenden Körper mit-
theilt; die kleinſte Verwundung mit Meſſern, die zur Section
gedient haben, bringt einen lebensgefährlichen Krankheitszu-
ſtand hervor.

Das Wurſtgift, eins der furchtbarſten Gifte, gehört zur
Klaſſe dieſer in Zerſetzung begriffenen Körper.

Man kennt bis jetzt mehrere hundert Fälle, wo der Tod
durch den Genuß verdorbener Würſte verurſacht wurde.

Vergiftungsfälle dieſer Art kommen namentlich in Würtem-
berg vor, wo man gewohnt iſt, die Würſte aus höchſt ver-
ſchiedenartigen Materien zu bereiten.

Blut, Leber, Speck, Gehirn, Kuhmilch, Mehl und Brod
werden mit Salz und Gewürzen zuſammengemengt, in Blaſen
oder Gedärmen gefüllt, gekocht und geräuchert.

Bei guter Zubereitung halten ſich dieſe Würſte Monate
lang und geben ein geſundes wohlſchmeckendes Nahrungsmittel
ab, beim Mangel an Gewürzen und Salz, und namentlich bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="314"/><fw place="top" type="header">Gift, Contagien, Miasmen.</fw><lb/>
des Magens z. B., durch &#x017F;eine wunderbare Fähigkeit, alle einer<lb/>
Metamorpho&#x017F;e fähigen, organi&#x017F;chen Stoffe be&#x017F;timmt werden,<lb/>
neue Formen anzunehmen, während er ihre Elemente zwingt,<lb/>
zu einer und der nämlichen Sub&#x017F;tanz zu&#x017F;ammenzutreten, welche<lb/>
be&#x017F;timmt i&#x017F;t zur Blutbildung, fehlt dem Blute alle Fähigkeit,<lb/>
Metamorpho&#x017F;en zu bewirken; &#x017F;ein Hauptcharacter i&#x017F;t es grade,<lb/>
&#x017F;ich zu Metamorpho&#x017F;en zu eignen. Keine andere Materie kann<lb/>
in die&#x017F;er Beziehung mit dem Blute verglichen werden.</p><lb/>
          <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en nun, daß in Fäulniß begriffenes Blut, Gehirn-<lb/>
&#x017F;ub&#x017F;tanz, Galle, faulender Eiter &#xA75B;c. auf fri&#x017F;che Wunden gelegt,<lb/>
Erbrechen, Mattigkeit und, nach längerer oder kürzerer Zeit, den<lb/>
Tod bewirken.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t eine nicht minder bekannte Erfahrung, daß Leichen<lb/>
auf anatomi&#x017F;chen Theatern häufig in einen Zu&#x017F;tand der Zer-<lb/>
&#x017F;etzung übergehen, der &#x017F;ich dem Blute im lebenden Körper mit-<lb/>
theilt; die klein&#x017F;te Verwundung mit Me&#x017F;&#x017F;ern, die zur Section<lb/>
gedient haben, bringt einen lebensgefährlichen Krankheitszu-<lb/>
&#x017F;tand hervor.</p><lb/>
          <p>Das Wur&#x017F;tgift, eins der furchtbar&#x017F;ten Gifte, gehört zur<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er in Zer&#x017F;etzung begriffenen Körper.</p><lb/>
          <p>Man kennt bis jetzt mehrere hundert Fälle, wo der Tod<lb/>
durch den Genuß verdorbener Wür&#x017F;te verur&#x017F;acht wurde.</p><lb/>
          <p>Vergiftungsfälle die&#x017F;er Art kommen namentlich in Würtem-<lb/>
berg vor, wo man gewohnt i&#x017F;t, die Wür&#x017F;te aus höch&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chiedenartigen Materien zu bereiten.</p><lb/>
          <p>Blut, Leber, Speck, Gehirn, Kuhmilch, Mehl und Brod<lb/>
werden mit Salz und Gewürzen zu&#x017F;ammengemengt, in Bla&#x017F;en<lb/>
oder Gedärmen gefüllt, gekocht und geräuchert.</p><lb/>
          <p>Bei guter Zubereitung halten &#x017F;ich die&#x017F;e Wür&#x017F;te Monate<lb/>
lang und geben ein ge&#x017F;undes wohl&#x017F;chmeckendes Nahrungsmittel<lb/>
ab, beim Mangel an Gewürzen und Salz, und namentlich bei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0332] Gift, Contagien, Miasmen. des Magens z. B., durch ſeine wunderbare Fähigkeit, alle einer Metamorphoſe fähigen, organiſchen Stoffe beſtimmt werden, neue Formen anzunehmen, während er ihre Elemente zwingt, zu einer und der nämlichen Subſtanz zuſammenzutreten, welche beſtimmt iſt zur Blutbildung, fehlt dem Blute alle Fähigkeit, Metamorphoſen zu bewirken; ſein Hauptcharacter iſt es grade, ſich zu Metamorphoſen zu eignen. Keine andere Materie kann in dieſer Beziehung mit dem Blute verglichen werden. Wir wiſſen nun, daß in Fäulniß begriffenes Blut, Gehirn- ſubſtanz, Galle, faulender Eiter ꝛc. auf friſche Wunden gelegt, Erbrechen, Mattigkeit und, nach längerer oder kürzerer Zeit, den Tod bewirken. Es iſt eine nicht minder bekannte Erfahrung, daß Leichen auf anatomiſchen Theatern häufig in einen Zuſtand der Zer- ſetzung übergehen, der ſich dem Blute im lebenden Körper mit- theilt; die kleinſte Verwundung mit Meſſern, die zur Section gedient haben, bringt einen lebensgefährlichen Krankheitszu- ſtand hervor. Das Wurſtgift, eins der furchtbarſten Gifte, gehört zur Klaſſe dieſer in Zerſetzung begriffenen Körper. Man kennt bis jetzt mehrere hundert Fälle, wo der Tod durch den Genuß verdorbener Würſte verurſacht wurde. Vergiftungsfälle dieſer Art kommen namentlich in Würtem- berg vor, wo man gewohnt iſt, die Würſte aus höchſt ver- ſchiedenartigen Materien zu bereiten. Blut, Leber, Speck, Gehirn, Kuhmilch, Mehl und Brod werden mit Salz und Gewürzen zuſammengemengt, in Blaſen oder Gedärmen gefüllt, gekocht und geräuchert. Bei guter Zubereitung halten ſich dieſe Würſte Monate lang und geben ein geſundes wohlſchmeckendes Nahrungsmittel ab, beim Mangel an Gewürzen und Salz, und namentlich bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/332
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/332>, abgerufen am 17.05.2024.