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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Metamorphosen stickstoffhaltiger Körper.
Stickstoffs zum Wasserstoff eine neue höchst kräftige Ursache
einer leichteren Umsetzung der Bestandtheile hinzu.

Bei den stickstofffreien Körpern haben wir ein Element, bei
den stickstoffhaltigen zwei Elemente, die sich in die Elemente
des Wassers theilen, wir haben darin zwei entgegengesetzte
Verwandtschaften, die ihre Wirkung gegenseitig verstärken.

Wir wissen nun, daß wir im Stande sind, durch den Ein-
fluß zweier Verwandtschaften die stärksten Anziehungen zu über-
winden, wir bringen mit der größten Leichtigkeit eine Zersetzung
der Thonerde hervor, wenn wir die Verwandtschaft der Kohle
auf ihren Sauerstoff und die des Chlors auf das Aluminium
in Thätigkeit setzen, eine Zersetzung, die mit jedem allein nicht
bewirkt werden kann, und es ist mithin in der Natur und der
Constitution der Stickstoffverbindungen selbst eine Art von
Spannung der Bestandtheile, eine hervorstechende Neigung zu
Metamorphosen gegeben, welche bei vielen eine von selbst er-
folgende Umsetzung von dem Augenblick an bewirkt, wo sie mit
Wasser oder mit den Elementen des Wassers in Berührung
gebracht werden.

Das Verhalten der einfachsten aller Stickstoffverbindungen,
des Cyansäurehydrats ist vielleicht am besten im Stande eine
bestimmte Vorstellung über diese Theilungsweise zu geben.

Diese Säure enthält Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff
genau in den Verhältnissen, daß mit dem Hinzutreten einer
gewissen Menge Wasser die Elemente dieses Wassers gerade
hinreichen, sein Sauerstoff einerseits, um mit ihrem Kohlenstoff
und Sauerstoff Kohlensäure und sein Wasserstoff andererseits,
um mit ihrem Stickstoff Ammoniak zu bilden.

Bei diesen Körpern vereinigen sich also die günstigsten Be-
dingungen, um die vollkommenste Metamorphose zu erleiden,
und es ist wohl bekannt, daß diese Spaltung augenblick-

Metamorphoſen ſtickſtoffhaltiger Körper.
Stickſtoffs zum Waſſerſtoff eine neue höchſt kräftige Urſache
einer leichteren Umſetzung der Beſtandtheile hinzu.

Bei den ſtickſtofffreien Körpern haben wir ein Element, bei
den ſtickſtoffhaltigen zwei Elemente, die ſich in die Elemente
des Waſſers theilen, wir haben darin zwei entgegengeſetzte
Verwandtſchaften, die ihre Wirkung gegenſeitig verſtärken.

Wir wiſſen nun, daß wir im Stande ſind, durch den Ein-
fluß zweier Verwandtſchaften die ſtärkſten Anziehungen zu über-
winden, wir bringen mit der größten Leichtigkeit eine Zerſetzung
der Thonerde hervor, wenn wir die Verwandtſchaft der Kohle
auf ihren Sauerſtoff und die des Chlors auf das Aluminium
in Thätigkeit ſetzen, eine Zerſetzung, die mit jedem allein nicht
bewirkt werden kann, und es iſt mithin in der Natur und der
Conſtitution der Stickſtoffverbindungen ſelbſt eine Art von
Spannung der Beſtandtheile, eine hervorſtechende Neigung zu
Metamorphoſen gegeben, welche bei vielen eine von ſelbſt er-
folgende Umſetzung von dem Augenblick an bewirkt, wo ſie mit
Waſſer oder mit den Elementen des Waſſers in Berührung
gebracht werden.

Das Verhalten der einfachſten aller Stickſtoffverbindungen,
des Cyanſäurehydrats iſt vielleicht am beſten im Stande eine
beſtimmte Vorſtellung über dieſe Theilungsweiſe zu geben.

Dieſe Säure enthält Kohlenſtoff, Stickſtoff und Sauerſtoff
genau in den Verhältniſſen, daß mit dem Hinzutreten einer
gewiſſen Menge Waſſer die Elemente dieſes Waſſers gerade
hinreichen, ſein Sauerſtoff einerſeits, um mit ihrem Kohlenſtoff
und Sauerſtoff Kohlenſäure und ſein Waſſerſtoff andererſeits,
um mit ihrem Stickſtoff Ammoniak zu bilden.

Bei dieſen Körpern vereinigen ſich alſo die günſtigſten Be-
dingungen, um die vollkommenſte Metamorphoſe zu erleiden,
und es iſt wohl bekannt, daß dieſe Spaltung augenblick-

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[223/0241] Metamorphoſen ſtickſtoffhaltiger Körper. Stickſtoffs zum Waſſerſtoff eine neue höchſt kräftige Urſache einer leichteren Umſetzung der Beſtandtheile hinzu. Bei den ſtickſtofffreien Körpern haben wir ein Element, bei den ſtickſtoffhaltigen zwei Elemente, die ſich in die Elemente des Waſſers theilen, wir haben darin zwei entgegengeſetzte Verwandtſchaften, die ihre Wirkung gegenſeitig verſtärken. Wir wiſſen nun, daß wir im Stande ſind, durch den Ein- fluß zweier Verwandtſchaften die ſtärkſten Anziehungen zu über- winden, wir bringen mit der größten Leichtigkeit eine Zerſetzung der Thonerde hervor, wenn wir die Verwandtſchaft der Kohle auf ihren Sauerſtoff und die des Chlors auf das Aluminium in Thätigkeit ſetzen, eine Zerſetzung, die mit jedem allein nicht bewirkt werden kann, und es iſt mithin in der Natur und der Conſtitution der Stickſtoffverbindungen ſelbſt eine Art von Spannung der Beſtandtheile, eine hervorſtechende Neigung zu Metamorphoſen gegeben, welche bei vielen eine von ſelbſt er- folgende Umſetzung von dem Augenblick an bewirkt, wo ſie mit Waſſer oder mit den Elementen des Waſſers in Berührung gebracht werden. Das Verhalten der einfachſten aller Stickſtoffverbindungen, des Cyanſäurehydrats iſt vielleicht am beſten im Stande eine beſtimmte Vorſtellung über dieſe Theilungsweiſe zu geben. Dieſe Säure enthält Kohlenſtoff, Stickſtoff und Sauerſtoff genau in den Verhältniſſen, daß mit dem Hinzutreten einer gewiſſen Menge Waſſer die Elemente dieſes Waſſers gerade hinreichen, ſein Sauerſtoff einerſeits, um mit ihrem Kohlenſtoff und Sauerſtoff Kohlenſäure und ſein Waſſerſtoff andererſeits, um mit ihrem Stickſtoff Ammoniak zu bilden. Bei dieſen Körpern vereinigen ſich alſo die günſtigſten Be- dingungen, um die vollkommenſte Metamorphoſe zu erleiden, und es iſt wohl bekannt, daß dieſe Spaltung augenblick-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/241>, abgerufen am 22.11.2024.