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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Wechselwirthschaft und der Dünger.

Diese Versuche sind positive Beweise, daß die Wurzeln,
man kann sagen aller Pflanzen, Materien absondern, die in
ihrem Organismus weder in Holzfaser noch in Stärke, vege-
tabilisches Eiweiß, Kleber etc. verwandelt werden konnten, denn
ihre Ausscheidung setzt voraus, daß sie hierzu völlig unfähig
sind; aber sie können nicht als Bestätigungen der Theorie des
Herrn de Candolle angesehen werden, denn sie lassen völlig
unentschieden, ob die Stoffe aus dem Voden stammen, oder
ob sie durch den Lebensproceß der Pflanze gebildet worden sind.

Es ist sicher, daß die gummigen (gommeux) und harzigen
Excremente, welche Macaire-Princep beobachtete, nicht in
dem Boden enthalten waren, und da der Boden an Kohlen-
stoff durch die Cultur nicht ärmer wird, sondern im Gegen-
theile sich noch verbessert, so muß man hieraus schließen, daß
alle Excremente, welche Kohlenstoff enthalten, von den Nah-
rungsmitteln herrühren, welche die Pflanze aus der Luft auf-
nimmt. Es sind dieß Verbindungen, die in Folge der Meta-
morphose der Nahrungsmittel, in Folge der neuen Formen,
gebildet werden, die sie annehmen, wenn sie zu Bestandtheilen
des Organismus werden.

Die Ansicht des Herrn de Candolle ist eigentlich eine
Art von Erläuterung einer frühern Theorie der Wechselwirth-
schaft, welche voraussetzt, daß die Wurzeln verschiedener Pflan-
zen verschiedene Nahrungsmittel dem Boden entziehen, jede
Pflanze eine Materie von besonderer Beschaffenheit, die sich
gerade zu ihrer Assimilation eignet. Die ältere Ansicht setzt
voraus, daß die nicht afsimilirbaren Stoffe dem Boden nicht
entzogen, die Ansicht des Hrn. de Candolle, daß sie ihm in
der Form von Excrementen wieder zurückgegeben werden.

Nach beiden erklärt sich, woher es kommt, daß man nach
Getreide kein Getreide, nach Erbsen keine Erbsen etc. mit Vor-

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Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger.

Dieſe Verſuche ſind poſitive Beweiſe, daß die Wurzeln,
man kann ſagen aller Pflanzen, Materien abſondern, die in
ihrem Organismus weder in Holzfaſer noch in Stärke, vege-
tabiliſches Eiweiß, Kleber ꝛc. verwandelt werden konnten, denn
ihre Ausſcheidung ſetzt voraus, daß ſie hierzu völlig unfähig
ſind; aber ſie können nicht als Beſtätigungen der Theorie des
Herrn de Candolle angeſehen werden, denn ſie laſſen völlig
unentſchieden, ob die Stoffe aus dem Voden ſtammen, oder
ob ſie durch den Lebensproceß der Pflanze gebildet worden ſind.

Es iſt ſicher, daß die gummigen (gommeux) und harzigen
Excremente, welche Macaire-Princep beobachtete, nicht in
dem Boden enthalten waren, und da der Boden an Kohlen-
ſtoff durch die Cultur nicht ärmer wird, ſondern im Gegen-
theile ſich noch verbeſſert, ſo muß man hieraus ſchließen, daß
alle Excremente, welche Kohlenſtoff enthalten, von den Nah-
rungsmitteln herrühren, welche die Pflanze aus der Luft auf-
nimmt. Es ſind dieß Verbindungen, die in Folge der Meta-
morphoſe der Nahrungsmittel, in Folge der neuen Formen,
gebildet werden, die ſie annehmen, wenn ſie zu Beſtandtheilen
des Organismus werden.

Die Anſicht des Herrn de Candolle iſt eigentlich eine
Art von Erläuterung einer frühern Theorie der Wechſelwirth-
ſchaft, welche vorausſetzt, daß die Wurzeln verſchiedener Pflan-
zen verſchiedene Nahrungsmittel dem Boden entziehen, jede
Pflanze eine Materie von beſonderer Beſchaffenheit, die ſich
gerade zu ihrer Aſſimilation eignet. Die ältere Anſicht ſetzt
voraus, daß die nicht afſimilirbaren Stoffe dem Boden nicht
entzogen, die Anſicht des Hrn. de Candolle, daß ſie ihm in
der Form von Excrementen wieder zurückgegeben werden.

Nach beiden erklärt ſich, woher es kommt, daß man nach
Getreide kein Getreide, nach Erbſen keine Erbſen ꝛc. mit Vor-

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[147/0165] Die Wechſelwirthſchaft und der Dünger. Dieſe Verſuche ſind poſitive Beweiſe, daß die Wurzeln, man kann ſagen aller Pflanzen, Materien abſondern, die in ihrem Organismus weder in Holzfaſer noch in Stärke, vege- tabiliſches Eiweiß, Kleber ꝛc. verwandelt werden konnten, denn ihre Ausſcheidung ſetzt voraus, daß ſie hierzu völlig unfähig ſind; aber ſie können nicht als Beſtätigungen der Theorie des Herrn de Candolle angeſehen werden, denn ſie laſſen völlig unentſchieden, ob die Stoffe aus dem Voden ſtammen, oder ob ſie durch den Lebensproceß der Pflanze gebildet worden ſind. Es iſt ſicher, daß die gummigen (gommeux) und harzigen Excremente, welche Macaire-Princep beobachtete, nicht in dem Boden enthalten waren, und da der Boden an Kohlen- ſtoff durch die Cultur nicht ärmer wird, ſondern im Gegen- theile ſich noch verbeſſert, ſo muß man hieraus ſchließen, daß alle Excremente, welche Kohlenſtoff enthalten, von den Nah- rungsmitteln herrühren, welche die Pflanze aus der Luft auf- nimmt. Es ſind dieß Verbindungen, die in Folge der Meta- morphoſe der Nahrungsmittel, in Folge der neuen Formen, gebildet werden, die ſie annehmen, wenn ſie zu Beſtandtheilen des Organismus werden. Die Anſicht des Herrn de Candolle iſt eigentlich eine Art von Erläuterung einer frühern Theorie der Wechſelwirth- ſchaft, welche vorausſetzt, daß die Wurzeln verſchiedener Pflan- zen verſchiedene Nahrungsmittel dem Boden entziehen, jede Pflanze eine Materie von beſonderer Beſchaffenheit, die ſich gerade zu ihrer Aſſimilation eignet. Die ältere Anſicht ſetzt voraus, daß die nicht afſimilirbaren Stoffe dem Boden nicht entzogen, die Anſicht des Hrn. de Candolle, daß ſie ihm in der Form von Excrementen wieder zurückgegeben werden. Nach beiden erklärt ſich, woher es kommt, daß man nach Getreide kein Getreide, nach Erbſen keine Erbſen ꝛc. mit Vor- 10*

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/165>, abgerufen am 24.11.2024.