Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Cultur.
den, heftige und anhaltende Regen müßten den Boden daran
ärmer machen. Er lös't sich aber nur auf, insofern er sich
mit dem Sauerstoff verbindet und in der Form von Kohlen-
säure wird er vom Wasser aufgenommen.

Bei Abwesenheit aller Feuchtigkeit erhält sich der Humus Jahr-
hunderte lang, mit Wasser benetzt, verwandelt er den umgebenden
Sauerstoff in Kohlensäure; von diesem Augenblicke an verändert er
sich ebenfalls nicht mehr, denn die Wirkung der Luft hört auf,
sobald sie ihres Sauerstoffs beraubt ist. Nur wenn Pflanzen in die-
sem Boden wachsen, deren Wurzeln die gebildete Kohlensäure
hinwegnehmen, schreitet die Verwesung fort, aber durch lebende
Pflanzen empfängt der Boden wieder, was er verloren hat,
er wird nicht ärmer an Humus.

Die Tropfsteinhöhlen in Franken, in der Umgebung von
Beireuth, Streitberg, sind mit fruchtbarer Ackererde bedeckt; der
Boden über diesen Höhlen ist mit verwesenden Vegetabilien,
mit Humus angefüllt, der bei Gegenwart von Feuchtigkeit
und Luft unausgesetzt Kohlensäure entwickelt, die sich im Re-
genwasser löset.

Das mit Kohlensäure angeschwängerte Regenwasser sickert
durch den porösen Kalkstein hindurch, der die Seitenwände
und Decke der Höhlen bildet, und lös't bei diesem Durchgang
eine der Kohlensäure entsprechende Menge von kohlensauerm
Kalk auf.

In dem Innern der Höhle angekommen dunstet von dieser
Auflösung das Wasser und die überschüssige Kohlensäure ab,
und der Kalkstein, indem er sich abscheidet, überzieht Wände
und Decke mit Krystallkrusten von den mannigfaltigsten Formen.

An wenigen Orten der Erde vereinigen sich aber in glei-
chem Grade wie an diesen alle Bedingungen zur Erzeugung
von humussauerm Kalk, wenn der Humus in dem Boden in

Die Cultur.
den, heftige und anhaltende Regen müßten den Boden daran
ärmer machen. Er löſ’t ſich aber nur auf, inſofern er ſich
mit dem Sauerſtoff verbindet und in der Form von Kohlen-
ſäure wird er vom Waſſer aufgenommen.

Bei Abweſenheit aller Feuchtigkeit erhält ſich der Humus Jahr-
hunderte lang, mit Waſſer benetzt, verwandelt er den umgebenden
Sauerſtoff in Kohlenſäure; von dieſem Augenblicke an verändert er
ſich ebenfalls nicht mehr, denn die Wirkung der Luft hört auf,
ſobald ſie ihres Sauerſtoffs beraubt iſt. Nur wenn Pflanzen in die-
ſem Boden wachſen, deren Wurzeln die gebildete Kohlenſäure
hinwegnehmen, ſchreitet die Verweſung fort, aber durch lebende
Pflanzen empfängt der Boden wieder, was er verloren hat,
er wird nicht ärmer an Humus.

Die Tropfſteinhöhlen in Franken, in der Umgebung von
Beireuth, Streitberg, ſind mit fruchtbarer Ackererde bedeckt; der
Boden über dieſen Höhlen iſt mit verweſenden Vegetabilien,
mit Humus angefüllt, der bei Gegenwart von Feuchtigkeit
und Luft unausgeſetzt Kohlenſäure entwickelt, die ſich im Re-
genwaſſer löſet.

Das mit Kohlenſäure angeſchwängerte Regenwaſſer ſickert
durch den poröſen Kalkſtein hindurch, der die Seitenwände
und Decke der Höhlen bildet, und löſ’t bei dieſem Durchgang
eine der Kohlenſäure entſprechende Menge von kohlenſauerm
Kalk auf.

In dem Innern der Höhle angekommen dunſtet von dieſer
Auflöſung das Waſſer und die überſchüſſige Kohlenſäure ab,
und der Kalkſtein, indem er ſich abſcheidet, überzieht Wände
und Decke mit Kryſtallkruſten von den mannigfaltigſten Formen.

An wenigen Orten der Erde vereinigen ſich aber in glei-
chem Grade wie an dieſen alle Bedingungen zur Erzeugung
von humusſauerm Kalk, wenn der Humus in dem Boden in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="107"/><fw place="top" type="header">Die Cultur.</fw><lb/>
den, heftige und anhaltende Regen müßten den Boden daran<lb/>
ärmer machen. Er lö&#x017F;&#x2019;t &#x017F;ich aber nur auf, in&#x017F;ofern er &#x017F;ich<lb/>
mit dem Sauer&#x017F;toff verbindet und in der Form von Kohlen-<lb/>
&#x017F;äure wird er vom Wa&#x017F;&#x017F;er aufgenommen.</p><lb/>
          <p>Bei Abwe&#x017F;enheit aller Feuchtigkeit erhält &#x017F;ich der Humus Jahr-<lb/>
hunderte lang, mit Wa&#x017F;&#x017F;er benetzt, verwandelt er den umgebenden<lb/>
Sauer&#x017F;toff in Kohlen&#x017F;äure; von die&#x017F;em Augenblicke an verändert er<lb/>
&#x017F;ich ebenfalls nicht mehr, denn die Wirkung der Luft hört auf,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie ihres Sauer&#x017F;toffs beraubt i&#x017F;t. Nur wenn Pflanzen in die-<lb/>
&#x017F;em Boden wach&#x017F;en, deren Wurzeln die gebildete Kohlen&#x017F;äure<lb/>
hinwegnehmen, &#x017F;chreitet die Verwe&#x017F;ung fort, aber durch lebende<lb/>
Pflanzen empfängt der Boden wieder, was er verloren hat,<lb/>
er wird nicht ärmer an Humus.</p><lb/>
          <p>Die Tropf&#x017F;teinhöhlen in Franken, in der Umgebung von<lb/>
Beireuth, Streitberg, &#x017F;ind mit fruchtbarer Ackererde bedeckt; der<lb/>
Boden über die&#x017F;en Höhlen i&#x017F;t mit verwe&#x017F;enden Vegetabilien,<lb/>
mit Humus angefüllt, der bei Gegenwart von Feuchtigkeit<lb/>
und Luft unausge&#x017F;etzt Kohlen&#x017F;äure entwickelt, die &#x017F;ich im Re-<lb/>
genwa&#x017F;&#x017F;er lö&#x017F;et.</p><lb/>
          <p>Das mit Kohlen&#x017F;äure ange&#x017F;chwängerte Regenwa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ickert<lb/>
durch den porö&#x017F;en Kalk&#x017F;tein hindurch, der die Seitenwände<lb/>
und Decke der Höhlen bildet, und lö&#x017F;&#x2019;t bei die&#x017F;em Durchgang<lb/>
eine der Kohlen&#x017F;äure ent&#x017F;prechende Menge von kohlen&#x017F;auerm<lb/>
Kalk auf.</p><lb/>
          <p>In dem Innern der Höhle angekommen dun&#x017F;tet von die&#x017F;er<lb/>
Auflö&#x017F;ung das Wa&#x017F;&#x017F;er und die über&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;ige Kohlen&#x017F;äure ab,<lb/>
und der Kalk&#x017F;tein, indem er &#x017F;ich ab&#x017F;cheidet, überzieht Wände<lb/>
und Decke mit Kry&#x017F;tallkru&#x017F;ten von den mannigfaltig&#x017F;ten Formen.</p><lb/>
          <p>An wenigen Orten der Erde vereinigen &#x017F;ich aber in glei-<lb/>
chem Grade wie an die&#x017F;en alle Bedingungen zur Erzeugung<lb/>
von humus&#x017F;auerm Kalk, wenn der Humus in dem Boden in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0125] Die Cultur. den, heftige und anhaltende Regen müßten den Boden daran ärmer machen. Er löſ’t ſich aber nur auf, inſofern er ſich mit dem Sauerſtoff verbindet und in der Form von Kohlen- ſäure wird er vom Waſſer aufgenommen. Bei Abweſenheit aller Feuchtigkeit erhält ſich der Humus Jahr- hunderte lang, mit Waſſer benetzt, verwandelt er den umgebenden Sauerſtoff in Kohlenſäure; von dieſem Augenblicke an verändert er ſich ebenfalls nicht mehr, denn die Wirkung der Luft hört auf, ſobald ſie ihres Sauerſtoffs beraubt iſt. Nur wenn Pflanzen in die- ſem Boden wachſen, deren Wurzeln die gebildete Kohlenſäure hinwegnehmen, ſchreitet die Verweſung fort, aber durch lebende Pflanzen empfängt der Boden wieder, was er verloren hat, er wird nicht ärmer an Humus. Die Tropfſteinhöhlen in Franken, in der Umgebung von Beireuth, Streitberg, ſind mit fruchtbarer Ackererde bedeckt; der Boden über dieſen Höhlen iſt mit verweſenden Vegetabilien, mit Humus angefüllt, der bei Gegenwart von Feuchtigkeit und Luft unausgeſetzt Kohlenſäure entwickelt, die ſich im Re- genwaſſer löſet. Das mit Kohlenſäure angeſchwängerte Regenwaſſer ſickert durch den poröſen Kalkſtein hindurch, der die Seitenwände und Decke der Höhlen bildet, und löſ’t bei dieſem Durchgang eine der Kohlenſäure entſprechende Menge von kohlenſauerm Kalk auf. In dem Innern der Höhle angekommen dunſtet von dieſer Auflöſung das Waſſer und die überſchüſſige Kohlenſäure ab, und der Kalkſtein, indem er ſich abſcheidet, überzieht Wände und Decke mit Kryſtallkruſten von den mannigfaltigſten Formen. An wenigen Orten der Erde vereinigen ſich aber in glei- chem Grade wie an dieſen alle Bedingungen zur Erzeugung von humusſauerm Kalk, wenn der Humus in dem Boden in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/125
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/125>, abgerufen am 21.11.2024.