Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr Geld, das jezt für arabische Lexica, Reisebeschreibungen und neue Bibelübersetzungen weggehet, in der Haushaltung gebrauchen, ihre Besoldungen würden hinreichen und sie hätten nicht nöthig, den ganzen Tag die Arbeitsleute zu hüten oder auf der Zehntwache zu stehen.

Dem sey aber wie ihm wolle, so muß man keinem ehrlichen Menschen vorwerfen, er verstehe etwas gar nicht, wann er es nicht so versteht, wie andere Leute, von denen man weiß, daß sie es verstehen. Denn zwischen dem, ein Ding verstehen und ein Ding nicht verstehen, giebt es viele Classen, in denen sich 9/10 des menschlichen Geschlechts ganz commode aufhalten. Man könnte, wenn es nöthig wäre, aus allen Ständen viele Beyspiele von Leuten anführen, die ihr Amt mit Anstand geführt und doch nicht verstanden haben, was dazu nöthig ist; also kann es einem keine Schande machen, etwas nicht zu verstehen, das man sich zu verstehen ausgiebt, und ist Bosheit, jemanden ein solches menschliches Gebrechen vorzurücken.

ihr Geld, das jezt für arabische Lexica, Reisebeschreibungen und neue Bibelübersetzungen weggehet, in der Haushaltung gebrauchen, ihre Besoldungen würden hinreichen und sie hätten nicht nöthig, den ganzen Tag die Arbeitsleute zu hüten oder auf der Zehntwache zu stehen.

Dem sey aber wie ihm wolle, so muß man keinem ehrlichen Menschen vorwerfen, er verstehe etwas gar nicht, wann er es nicht so versteht, wie andere Leute, von denen man weiß, daß sie es verstehen. Denn zwischen dem, ein Ding verstehen und ein Ding nicht verstehen, giebt es viele Classen, in denen sich 9/10 des menschlichen Geschlechts ganz commode aufhalten. Man könnte, wenn es nöthig wäre, aus allen Ständen viele Beyspiele von Leuten anführen, die ihr Amt mit Anstand geführt und doch nicht verstanden haben, was dazu nöthig ist; also kann es einem keine Schande machen, etwas nicht zu verstehen, das man sich zu verstehen ausgiebt, und ist Bosheit, jemanden ein solches menschliches Gebrechen vorzurücken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="42"/>
ihr Geld, das jezt für arabische Lexica, Reisebeschreibungen und neue Bibelübersetzungen weggehet, in der Haushaltung gebrauchen, ihre Besoldungen würden hinreichen und sie hätten nicht nöthig, den ganzen Tag die Arbeitsleute zu hüten oder auf der Zehntwache zu stehen.</p>
        <p>Dem sey aber wie ihm wolle, so muß man keinem ehrlichen Menschen vorwerfen, er verstehe etwas gar nicht, wann er es nicht so versteht, wie andere Leute, von denen man weiß, daß sie es verstehen. Denn zwischen dem, ein Ding verstehen und ein Ding nicht verstehen, giebt es viele Classen, in denen sich 9/10 des menschlichen Geschlechts ganz commode aufhalten. Man könnte, wenn es nöthig wäre, aus allen Ständen viele Beyspiele von Leuten anführen, die ihr Amt mit Anstand geführt und doch nicht verstanden haben, was dazu nöthig ist; also kann es einem keine Schande machen, etwas nicht zu verstehen, das man sich zu verstehen ausgiebt, und ist Bosheit, jemanden ein solches menschliches Gebrechen vorzurücken.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0042] ihr Geld, das jezt für arabische Lexica, Reisebeschreibungen und neue Bibelübersetzungen weggehet, in der Haushaltung gebrauchen, ihre Besoldungen würden hinreichen und sie hätten nicht nöthig, den ganzen Tag die Arbeitsleute zu hüten oder auf der Zehntwache zu stehen. Dem sey aber wie ihm wolle, so muß man keinem ehrlichen Menschen vorwerfen, er verstehe etwas gar nicht, wann er es nicht so versteht, wie andere Leute, von denen man weiß, daß sie es verstehen. Denn zwischen dem, ein Ding verstehen und ein Ding nicht verstehen, giebt es viele Classen, in denen sich 9/10 des menschlichen Geschlechts ganz commode aufhalten. Man könnte, wenn es nöthig wäre, aus allen Ständen viele Beyspiele von Leuten anführen, die ihr Amt mit Anstand geführt und doch nicht verstanden haben, was dazu nöthig ist; also kann es einem keine Schande machen, etwas nicht zu verstehen, das man sich zu verstehen ausgiebt, und ist Bosheit, jemanden ein solches menschliches Gebrechen vorzurücken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-22T17:43:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T17:43:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T17:43:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773/42
Zitationshilfe: Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773/42>, abgerufen am 22.11.2024.