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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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goldene Freude versank in dem Bewußtsein meiner Schuld. Wie ein Gespenst erhob sich vor mir der Gedanke, daß ich dem Onkel Treue gelobt, daß ich ihm, meinem Manne, untreu sei, daß ich einen Andern liebe, und daß dies Klemenz sei, der Pflegesohn meines Mannes, der ihm Alles, Alles dankte.

Niedergeschmettert von dieser Vorstellung, hätte ich mich meiner Mutter in die Arme werfen, sie um Schutz, um Hülfe anflehen mögen, aber ich kam mir so elend, so gottverlassen vor, daß ich mich scheute, meine Verzweiflung auf die Seele meiner Mutter zu übertragen, und obenein kannte ich ihre Ansicht, daß man mit seinen Irrthümern am besten schweigend fertig werde. Oftmals hatte sie es im Gespräche hingeworfen, daß die glückliche Zukunft jeder Ehe auf dem schweigenden Ertragen der Gatten gegründet sei, und daß der treueste, liebevollste Vertraute ein Feind des ehelichen Friedens werden könne. Ich wollte also schweigen, aber es drückte mir fast das Herz ab.

Man muß es wissen, mit welcher heiligen Verehrung damals Jeder auf die Männer blickte, die im Felde standen, man muß die Frömmigkeit gekannt haben, mit welcher in unserem Kreise Männer und Frauen nach sittlicher Erhebung, nach untadeliger Reinheit strebten, um die Größe meines Schmerzes annähernd zu begreifen. Während er auf dem Felde der Ehre sein Blut verströmte für die deutsche Erde, für den deutschen Herd und die Aufrechterhaltung deut-

goldene Freude versank in dem Bewußtsein meiner Schuld. Wie ein Gespenst erhob sich vor mir der Gedanke, daß ich dem Onkel Treue gelobt, daß ich ihm, meinem Manne, untreu sei, daß ich einen Andern liebe, und daß dies Klemenz sei, der Pflegesohn meines Mannes, der ihm Alles, Alles dankte.

Niedergeschmettert von dieser Vorstellung, hätte ich mich meiner Mutter in die Arme werfen, sie um Schutz, um Hülfe anflehen mögen, aber ich kam mir so elend, so gottverlassen vor, daß ich mich scheute, meine Verzweiflung auf die Seele meiner Mutter zu übertragen, und obenein kannte ich ihre Ansicht, daß man mit seinen Irrthümern am besten schweigend fertig werde. Oftmals hatte sie es im Gespräche hingeworfen, daß die glückliche Zukunft jeder Ehe auf dem schweigenden Ertragen der Gatten gegründet sei, und daß der treueste, liebevollste Vertraute ein Feind des ehelichen Friedens werden könne. Ich wollte also schweigen, aber es drückte mir fast das Herz ab.

Man muß es wissen, mit welcher heiligen Verehrung damals Jeder auf die Männer blickte, die im Felde standen, man muß die Frömmigkeit gekannt haben, mit welcher in unserem Kreise Männer und Frauen nach sittlicher Erhebung, nach untadeliger Reinheit strebten, um die Größe meines Schmerzes annähernd zu begreifen. Während er auf dem Felde der Ehre sein Blut verströmte für die deutsche Erde, für den deutschen Herd und die Aufrechterhaltung deut-

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[0093] goldene Freude versank in dem Bewußtsein meiner Schuld. Wie ein Gespenst erhob sich vor mir der Gedanke, daß ich dem Onkel Treue gelobt, daß ich ihm, meinem Manne, untreu sei, daß ich einen Andern liebe, und daß dies Klemenz sei, der Pflegesohn meines Mannes, der ihm Alles, Alles dankte. Niedergeschmettert von dieser Vorstellung, hätte ich mich meiner Mutter in die Arme werfen, sie um Schutz, um Hülfe anflehen mögen, aber ich kam mir so elend, so gottverlassen vor, daß ich mich scheute, meine Verzweiflung auf die Seele meiner Mutter zu übertragen, und obenein kannte ich ihre Ansicht, daß man mit seinen Irrthümern am besten schweigend fertig werde. Oftmals hatte sie es im Gespräche hingeworfen, daß die glückliche Zukunft jeder Ehe auf dem schweigenden Ertragen der Gatten gegründet sei, und daß der treueste, liebevollste Vertraute ein Feind des ehelichen Friedens werden könne. Ich wollte also schweigen, aber es drückte mir fast das Herz ab. Man muß es wissen, mit welcher heiligen Verehrung damals Jeder auf die Männer blickte, die im Felde standen, man muß die Frömmigkeit gekannt haben, mit welcher in unserem Kreise Männer und Frauen nach sittlicher Erhebung, nach untadeliger Reinheit strebten, um die Größe meines Schmerzes annähernd zu begreifen. Während er auf dem Felde der Ehre sein Blut verströmte für die deutsche Erde, für den deutschen Herd und die Aufrechterhaltung deut-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/93>, abgerufen am 27.11.2024.