Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.söhnung zwischen ihnen eine wirkliche und dauernde, von der die Mutter die besten Folgen hatte. Der Einfluß, den die Großmutter stets auf den Vater ausgeübt, war damit ein für allemal gebrochen. Sie kam noch seltener in das Haus, Caroline durfte nicht mehr allein zu ihr gehen, und Schlichting blieb der Mutter ein treuer, ehrenhafter Freund, der auch dem Vater mit jedem Jahre werther und endlich unentbehrlich wurde, je ernster die Zeiten sich gestalteten. Und ernst genug sah es bald in unserem Vaterlande aus. Der Krieg hing über unsern Häuptern in der Luft, selbst in der Kinderstube sprachen die Mägde davon, und kamen wir in das Zimmer, in dem die Eltern waren, so hörte man immer nur von den ernsten und schweren Zeiten reden. Es kamen zwar noch Gäste, aber man war nicht mehr so heiter, wie zuvor, Alle schienen sich geändert zu haben, und Niemand mehr, als der Onkel, wie wir Schlichting Alle nannten. Er war viel auf amtlichen Reisen, kam also selten ins Haus, und war er da, so wurde erst recht sorgenvoll von der Zukunft und von der Zeiten Ernst gesprochen. Auf Kinder wirken die Mienen der Erwachsenen, wie die äußere Atmosphäre auf diese selbst einwirkt. Wir wußten nicht, was eigentlich Passirte, was geschehen könnte, aber wir hatten doch nicht mehr den alten heiteren Himmel über uns. Wir sollten lernen, uns Kenntnisse erwerben, damit wir uns einmal selber söhnung zwischen ihnen eine wirkliche und dauernde, von der die Mutter die besten Folgen hatte. Der Einfluß, den die Großmutter stets auf den Vater ausgeübt, war damit ein für allemal gebrochen. Sie kam noch seltener in das Haus, Caroline durfte nicht mehr allein zu ihr gehen, und Schlichting blieb der Mutter ein treuer, ehrenhafter Freund, der auch dem Vater mit jedem Jahre werther und endlich unentbehrlich wurde, je ernster die Zeiten sich gestalteten. Und ernst genug sah es bald in unserem Vaterlande aus. Der Krieg hing über unsern Häuptern in der Luft, selbst in der Kinderstube sprachen die Mägde davon, und kamen wir in das Zimmer, in dem die Eltern waren, so hörte man immer nur von den ernsten und schweren Zeiten reden. Es kamen zwar noch Gäste, aber man war nicht mehr so heiter, wie zuvor, Alle schienen sich geändert zu haben, und Niemand mehr, als der Onkel, wie wir Schlichting Alle nannten. Er war viel auf amtlichen Reisen, kam also selten ins Haus, und war er da, so wurde erst recht sorgenvoll von der Zukunft und von der Zeiten Ernst gesprochen. Auf Kinder wirken die Mienen der Erwachsenen, wie die äußere Atmosphäre auf diese selbst einwirkt. Wir wußten nicht, was eigentlich Passirte, was geschehen könnte, aber wir hatten doch nicht mehr den alten heiteren Himmel über uns. Wir sollten lernen, uns Kenntnisse erwerben, damit wir uns einmal selber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0047"/> söhnung zwischen ihnen eine wirkliche und dauernde, von der die Mutter die besten Folgen hatte. Der Einfluß, den die Großmutter stets auf den Vater ausgeübt, war damit ein für allemal gebrochen. Sie kam noch seltener in das Haus, Caroline durfte nicht mehr allein zu ihr gehen, und Schlichting blieb der Mutter ein treuer, ehrenhafter Freund, der auch dem Vater mit jedem Jahre werther und endlich unentbehrlich wurde, je ernster die Zeiten sich gestalteten.</p><lb/> <p>Und ernst genug sah es bald in unserem Vaterlande aus. Der Krieg hing über unsern Häuptern in der Luft, selbst in der Kinderstube sprachen die Mägde davon, und kamen wir in das Zimmer, in dem die Eltern waren, so hörte man immer nur von den ernsten und schweren Zeiten reden. Es kamen zwar noch Gäste, aber man war nicht mehr so heiter, wie zuvor, Alle schienen sich geändert zu haben, und Niemand mehr, als der Onkel, wie wir Schlichting Alle nannten. Er war viel auf amtlichen Reisen, kam also selten ins Haus, und war er da, so wurde erst recht sorgenvoll von der Zukunft und von der Zeiten Ernst gesprochen.</p><lb/> <p>Auf Kinder wirken die Mienen der Erwachsenen, wie die äußere Atmosphäre auf diese selbst einwirkt. Wir wußten nicht, was eigentlich Passirte, was geschehen könnte, aber wir hatten doch nicht mehr den alten heiteren Himmel über uns. Wir sollten lernen, uns Kenntnisse erwerben, damit wir uns einmal selber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
söhnung zwischen ihnen eine wirkliche und dauernde, von der die Mutter die besten Folgen hatte. Der Einfluß, den die Großmutter stets auf den Vater ausgeübt, war damit ein für allemal gebrochen. Sie kam noch seltener in das Haus, Caroline durfte nicht mehr allein zu ihr gehen, und Schlichting blieb der Mutter ein treuer, ehrenhafter Freund, der auch dem Vater mit jedem Jahre werther und endlich unentbehrlich wurde, je ernster die Zeiten sich gestalteten.
Und ernst genug sah es bald in unserem Vaterlande aus. Der Krieg hing über unsern Häuptern in der Luft, selbst in der Kinderstube sprachen die Mägde davon, und kamen wir in das Zimmer, in dem die Eltern waren, so hörte man immer nur von den ernsten und schweren Zeiten reden. Es kamen zwar noch Gäste, aber man war nicht mehr so heiter, wie zuvor, Alle schienen sich geändert zu haben, und Niemand mehr, als der Onkel, wie wir Schlichting Alle nannten. Er war viel auf amtlichen Reisen, kam also selten ins Haus, und war er da, so wurde erst recht sorgenvoll von der Zukunft und von der Zeiten Ernst gesprochen.
Auf Kinder wirken die Mienen der Erwachsenen, wie die äußere Atmosphäre auf diese selbst einwirkt. Wir wußten nicht, was eigentlich Passirte, was geschehen könnte, aber wir hatten doch nicht mehr den alten heiteren Himmel über uns. Wir sollten lernen, uns Kenntnisse erwerben, damit wir uns einmal selber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/47 |
Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/47>, abgerufen am 16.02.2025. |