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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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von den traurigen Geschichten, die sich leider
täglich wiederholen. Sie ist die Tochter eines
Handwerkers aus Gernsbach und kam gewöhn-
lich während des Sommers nach Baden, um
in einem Hause auszuhelfen, in dem man Woh-
nungen vermiethet. Hier hat sie einen armen
Jägerburschen kennen gelernt und ihn gegen den
Willen ihres Vaters geheirathet, der sie einem
wohlhabenden, aber sehr alten Bürger in Gerns-
bach bestimmt hatte. Ein unglücklicher Fall auf
der Jagd, in Folge dessen das Gewehr losging,
raubte ihrem Mann im Herbst das Leben,
lange ehe ihr Kind geboren wurde. Im Win-
ter gab es kein Verdienst für sie und in die
bitterste Armuth versunken, aus Mangel er-
krankt, ist sie nun schwach und elend nach
Gernsbach gegangen, um dort das Mitleid
ihres Vaters anzuflehen. Der aber hat ihr
Kind mit Verwünschungen von sich gestoßen
und sie hat hieher zurückkommen und Arbeit

von den traurigen Geſchichten, die ſich leider
täglich wiederholen. Sie iſt die Tochter eines
Handwerkers aus Gernsbach und kam gewöhn-
lich während des Sommers nach Baden, um
in einem Hauſe auszuhelfen, in dem man Woh-
nungen vermiethet. Hier hat ſie einen armen
Jägerburſchen kennen gelernt und ihn gegen den
Willen ihres Vaters geheirathet, der ſie einem
wohlhabenden, aber ſehr alten Bürger in Gerns-
bach beſtimmt hatte. Ein unglücklicher Fall auf
der Jagd, in Folge deſſen das Gewehr losging,
raubte ihrem Mann im Herbſt das Leben,
lange ehe ihr Kind geboren wurde. Im Win-
ter gab es kein Verdienſt für ſie und in die
bitterſte Armuth verſunken, aus Mangel er-
krankt, iſt ſie nun ſchwach und elend nach
Gernsbach gegangen, um dort das Mitleid
ihres Vaters anzuflehen. Der aber hat ihr
Kind mit Verwünſchungen von ſich geſtoßen
und ſie hat hieher zurückkommen und Arbeit

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[238/0248] von den traurigen Geſchichten, die ſich leider täglich wiederholen. Sie iſt die Tochter eines Handwerkers aus Gernsbach und kam gewöhn- lich während des Sommers nach Baden, um in einem Hauſe auszuhelfen, in dem man Woh- nungen vermiethet. Hier hat ſie einen armen Jägerburſchen kennen gelernt und ihn gegen den Willen ihres Vaters geheirathet, der ſie einem wohlhabenden, aber ſehr alten Bürger in Gerns- bach beſtimmt hatte. Ein unglücklicher Fall auf der Jagd, in Folge deſſen das Gewehr losging, raubte ihrem Mann im Herbſt das Leben, lange ehe ihr Kind geboren wurde. Im Win- ter gab es kein Verdienſt für ſie und in die bitterſte Armuth verſunken, aus Mangel er- krankt, iſt ſie nun ſchwach und elend nach Gernsbach gegangen, um dort das Mitleid ihres Vaters anzuflehen. Der aber hat ihr Kind mit Verwünſchungen von ſich geſtoßen und ſie hat hieher zurückkommen und Arbeit

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/248>, abgerufen am 28.04.2024.