Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

geleitete er Clara zu ihrem Wagen, wie an dem
letzten Abende, den sie in der Stadt zusammen
verlebt; aber gegen den dumpfen Gram, den
Beide jetzt empfanden, mußte ihnen der Schmerz
jener Stunde wie ein Glück erscheinen. Denn
in jenem Schmerze lag noch Bewegung und
Leben; heute aber fühlten sie die Entsagung
wie ein Leichentuch über ihre Zukunft gebreitet
und schieden wortlos und vernichtet.



Wie man verabredet hatte und wir berich-
tet, sollte Jenny's Taufe nun in wenig Tagen
vollzogen werden, und die Abfassung des nö-
thigen Glaubensbekenntnisses führte sie zu ernst-
lichem, erneuertem Nachdenken über diesen Punkt.
Menschen von besonders lebhafter Phantasie ist
es möglich und eigen, sich allmälig in einen
bestimmten Ideenkreis hineinzudenken, ihn nach

geleitete er Clara zu ihrem Wagen, wie an dem
letzten Abende, den ſie in der Stadt zuſammen
verlebt; aber gegen den dumpfen Gram, den
Beide jetzt empfanden, mußte ihnen der Schmerz
jener Stunde wie ein Glück erſcheinen. Denn
in jenem Schmerze lag noch Bewegung und
Leben; heute aber fühlten ſie die Entſagung
wie ein Leichentuch über ihre Zukunft gebreitet
und ſchieden wortlos und vernichtet.



Wie man verabredet hatte und wir berich-
tet, ſollte Jenny's Taufe nun in wenig Tagen
vollzogen werden, und die Abfaſſung des nö-
thigen Glaubensbekenntniſſes führte ſie zu ernſt-
lichem, erneuertem Nachdenken über dieſen Punkt.
Menſchen von beſonders lebhafter Phantaſie iſt
es möglich und eigen, ſich allmälig in einen
beſtimmten Ideenkreis hineinzudenken, ihn nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
geleitete er Clara zu ihrem Wagen, wie an dem<lb/>
letzten Abende, den &#x017F;ie in der Stadt zu&#x017F;ammen<lb/>
verlebt; aber gegen den dumpfen Gram, den<lb/>
Beide jetzt empfanden, mußte ihnen der Schmerz<lb/>
jener Stunde wie ein Glück er&#x017F;cheinen. Denn<lb/>
in jenem Schmerze lag noch Bewegung und<lb/>
Leben; heute aber fühlten &#x017F;ie die Ent&#x017F;agung<lb/>
wie ein Leichentuch über ihre Zukunft gebreitet<lb/>
und &#x017F;chieden wortlos und vernichtet.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Wie man verabredet hatte und wir berich-<lb/>
tet, &#x017F;ollte Jenny's Taufe nun in wenig Tagen<lb/>
vollzogen werden, und die Abfa&#x017F;&#x017F;ung des nö-<lb/>
thigen Glaubensbekenntni&#x017F;&#x017F;es führte &#x017F;ie zu ern&#x017F;t-<lb/>
lichem, erneuertem Nachdenken über die&#x017F;en Punkt.<lb/>
Men&#x017F;chen von be&#x017F;onders lebhafter Phanta&#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
es möglich und eigen, &#x017F;ich allmälig in einen<lb/>
be&#x017F;timmten Ideenkreis hineinzudenken, ihn nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] geleitete er Clara zu ihrem Wagen, wie an dem letzten Abende, den ſie in der Stadt zuſammen verlebt; aber gegen den dumpfen Gram, den Beide jetzt empfanden, mußte ihnen der Schmerz jener Stunde wie ein Glück erſcheinen. Denn in jenem Schmerze lag noch Bewegung und Leben; heute aber fühlten ſie die Entſagung wie ein Leichentuch über ihre Zukunft gebreitet und ſchieden wortlos und vernichtet. Wie man verabredet hatte und wir berich- tet, ſollte Jenny's Taufe nun in wenig Tagen vollzogen werden, und die Abfaſſung des nö- thigen Glaubensbekenntniſſes führte ſie zu ernſt- lichem, erneuertem Nachdenken über dieſen Punkt. Menſchen von beſonders lebhafter Phantaſie iſt es möglich und eigen, ſich allmälig in einen beſtimmten Ideenkreis hineinzudenken, ihn nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/24
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/24>, abgerufen am 28.03.2024.