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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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dann an, mir zu erzählen, wie er seit gestern
fast keine Nahrung zu sich genommen, den Post-
wagen nicht verlassen hätte, aus Scheu, hier
in der Nähe seiner Vaterstadt Bekannten zu
begegnen. "Auch hatte ich kaum, wovon eine
Mahlzeit zu bezahlen", sagte er. Sie hat mir
Alles genommen, ehe sie mich verließ. Als ich
zum Bewußtsein erwachte, war ich allein, ein
Bettler. Seit Monden war unser Credit er-
schöpft, Niemand wollte uns mehr borgen. Ich
erfuhr, daß sie einem Russen gefolgt war, der
ihr lange nachgestellt hatte und ihr glänzendere
Aussichten versprach, als sie bei mir erwarten
konnte. Ein Ring, den ich nie abgelegt und
den ich jetzt verkaufte, bot mir die Mittel, sie
zu verfolgen -- doch bald sah ich die Thor-
heit dieses Unternehmens ein. Ich mag sie nicht
wiedersehen. Eine unbezwingliche Sehnsucht
trieb mich hieher. Ich will hier sterben, wo ich
einst glücklich war."


dann an, mir zu erzählen, wie er ſeit geſtern
faſt keine Nahrung zu ſich genommen, den Poſt-
wagen nicht verlaſſen hätte, aus Scheu, hier
in der Nähe ſeiner Vaterſtadt Bekannten zu
begegnen. „Auch hatte ich kaum, wovon eine
Mahlzeit zu bezahlen“, ſagte er. Sie hat mir
Alles genommen, ehe ſie mich verließ. Als ich
zum Bewußtſein erwachte, war ich allein, ein
Bettler. Seit Monden war unſer Credit er-
ſchöpft, Niemand wollte uns mehr borgen. Ich
erfuhr, daß ſie einem Ruſſen gefolgt war, der
ihr lange nachgeſtellt hatte und ihr glänzendere
Ausſichten verſprach, als ſie bei mir erwarten
konnte. Ein Ring, den ich nie abgelegt und
den ich jetzt verkaufte, bot mir die Mittel, ſie
zu verfolgen — doch bald ſah ich die Thor-
heit dieſes Unternehmens ein. Ich mag ſie nicht
wiederſehen. Eine unbezwingliche Sehnſucht
trieb mich hieher. Ich will hier ſterben, wo ich
einſt glücklich war.“

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[211/0221] dann an, mir zu erzählen, wie er ſeit geſtern faſt keine Nahrung zu ſich genommen, den Poſt- wagen nicht verlaſſen hätte, aus Scheu, hier in der Nähe ſeiner Vaterſtadt Bekannten zu begegnen. „Auch hatte ich kaum, wovon eine Mahlzeit zu bezahlen“, ſagte er. Sie hat mir Alles genommen, ehe ſie mich verließ. Als ich zum Bewußtſein erwachte, war ich allein, ein Bettler. Seit Monden war unſer Credit er- ſchöpft, Niemand wollte uns mehr borgen. Ich erfuhr, daß ſie einem Ruſſen gefolgt war, der ihr lange nachgeſtellt hatte und ihr glänzendere Ausſichten verſprach, als ſie bei mir erwarten konnte. Ein Ring, den ich nie abgelegt und den ich jetzt verkaufte, bot mir die Mittel, ſie zu verfolgen — doch bald ſah ich die Thor- heit dieſes Unternehmens ein. Ich mag ſie nicht wiederſehen. Eine unbezwingliche Sehnſucht trieb mich hieher. Ich will hier ſterben, wo ich einſt glücklich war.“

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/221>, abgerufen am 24.11.2024.