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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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seine Frau auf seiner Hut zu sein, mit ihr
nicht über seine heiligsten Interessen sprechen zu
können, eine Störung Eures Glückes werden,
abgesehen davon, daß Deine Gesinnung gerade
zu seinem Verhältniß als Geistlicher in noch
schrofferem Widerspruche steht."

Innig zog er sein leidendes Kind in seine
Arme, aber er versuchte nicht, sie zu trösten.
"Blicke fest in Dein Inneres", sagte er, "dort
wirst Du Quellen des Trostes finden, die uns
nie fehlen, wenn ein Schmerz uns trifft, ein
Unglück uns droht, das wir nicht selbst verschul-
det haben. Wir alle leiden mit Dir und Gott
wird Dir beistehen."

Eine tiefe Trauer schien über dem Hause
zu liegen. Jeder fürchtete, Jenny auf irgend
eine Weise zu verletzen, ihr wehe zu thun.
Man wollte sie schonen, sie die ganze Größe
der Liebe fühlen lassen, die man für sie empfand,
und selbst Therese, der die obwaltenden Verhält-

ſeine Frau auf ſeiner Hut zu ſein, mit ihr
nicht über ſeine heiligſten Intereſſen ſprechen zu
können, eine Störung Eures Glückes werden,
abgeſehen davon, daß Deine Geſinnung gerade
zu ſeinem Verhältniß als Geiſtlicher in noch
ſchrofferem Widerſpruche ſteht.“

Innig zog er ſein leidendes Kind in ſeine
Arme, aber er verſuchte nicht, ſie zu tröſten.
„Blicke feſt in Dein Inneres“, ſagte er, „dort
wirſt Du Quellen des Troſtes finden, die uns
nie fehlen, wenn ein Schmerz uns trifft, ein
Unglück uns droht, das wir nicht ſelbſt verſchul-
det haben. Wir alle leiden mit Dir und Gott
wird Dir beiſtehen.“

Eine tiefe Trauer ſchien über dem Hauſe
zu liegen. Jeder fürchtete, Jenny auf irgend
eine Weiſe zu verletzen, ihr wehe zu thun.
Man wollte ſie ſchonen, ſie die ganze Größe
der Liebe fühlen laſſen, die man für ſie empfand,
und ſelbſt Thereſe, der die obwaltenden Verhält-

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[135/0145] ſeine Frau auf ſeiner Hut zu ſein, mit ihr nicht über ſeine heiligſten Intereſſen ſprechen zu können, eine Störung Eures Glückes werden, abgeſehen davon, daß Deine Geſinnung gerade zu ſeinem Verhältniß als Geiſtlicher in noch ſchrofferem Widerſpruche ſteht.“ Innig zog er ſein leidendes Kind in ſeine Arme, aber er verſuchte nicht, ſie zu tröſten. „Blicke feſt in Dein Inneres“, ſagte er, „dort wirſt Du Quellen des Troſtes finden, die uns nie fehlen, wenn ein Schmerz uns trifft, ein Unglück uns droht, das wir nicht ſelbſt verſchul- det haben. Wir alle leiden mit Dir und Gott wird Dir beiſtehen.“ Eine tiefe Trauer ſchien über dem Hauſe zu liegen. Jeder fürchtete, Jenny auf irgend eine Weiſe zu verletzen, ihr wehe zu thun. Man wollte ſie ſchonen, ſie die ganze Größe der Liebe fühlen laſſen, die man für ſie empfand, und ſelbſt Thereſe, der die obwaltenden Verhält-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/145>, abgerufen am 05.05.2024.