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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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sich vor, zu rasch gehandelt zu haben, und be-
schwor den Diener, sich zu beeilen und Alles
aufzubieten, um ihr diesen Brief zurückzubrin-
gen. Aber vergebens. Die Post war abge-
gangen, kein Widerruf war möglich. "Nun,
so mag Gott sich meiner erbarmen!" rief Jenny
und stürzte weinend zu ihren Eltern, die jetzt
durch sie das Unabänderliche erfuhren und, mit
ihr leidend, Alles aufboten, ihr Ruhe und Trost
zu geben. Zärtlich, nur für den Augenblick be-
sorgt, versicherte ihre Mutter, Jenny könne doch
unmöglich daran zweifeln, daß Reinhard sie
liebe, und sie hege das Vertrauen, ein so auf-
geklärter Mann werde an seiner Braut wegen
einer Meinungsverschiedenheit nicht irre werden.
Sie erinnerte sie, wie duldsam sich Reinhard
und die Pfarrerin gezeigt, noch ehe von irgend
einem Verhältniß zu Jenny die Rede gewesen,
und sprach die feste Ueberzeugung aus, Reinhard
in wenigen Tagen hier und Jenny glücklich zu

ſich vor, zu raſch gehandelt zu haben, und be-
ſchwor den Diener, ſich zu beeilen und Alles
aufzubieten, um ihr dieſen Brief zurückzubrin-
gen. Aber vergebens. Die Poſt war abge-
gangen, kein Widerruf war möglich. „Nun,
ſo mag Gott ſich meiner erbarmen!“ rief Jenny
und ſtürzte weinend zu ihren Eltern, die jetzt
durch ſie das Unabänderliche erfuhren und, mit
ihr leidend, Alles aufboten, ihr Ruhe und Troſt
zu geben. Zärtlich, nur für den Augenblick be-
ſorgt, verſicherte ihre Mutter, Jenny könne doch
unmöglich daran zweifeln, daß Reinhard ſie
liebe, und ſie hege das Vertrauen, ein ſo auf-
geklärter Mann werde an ſeiner Braut wegen
einer Meinungsverſchiedenheit nicht irre werden.
Sie erinnerte ſie, wie duldſam ſich Reinhard
und die Pfarrerin gezeigt, noch ehe von irgend
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und ſprach die feſte Ueberzeugung aus, Reinhard
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[132/0142] ſich vor, zu raſch gehandelt zu haben, und be- ſchwor den Diener, ſich zu beeilen und Alles aufzubieten, um ihr dieſen Brief zurückzubrin- gen. Aber vergebens. Die Poſt war abge- gangen, kein Widerruf war möglich. „Nun, ſo mag Gott ſich meiner erbarmen!“ rief Jenny und ſtürzte weinend zu ihren Eltern, die jetzt durch ſie das Unabänderliche erfuhren und, mit ihr leidend, Alles aufboten, ihr Ruhe und Troſt zu geben. Zärtlich, nur für den Augenblick be- ſorgt, verſicherte ihre Mutter, Jenny könne doch unmöglich daran zweifeln, daß Reinhard ſie liebe, und ſie hege das Vertrauen, ein ſo auf- geklärter Mann werde an ſeiner Braut wegen einer Meinungsverſchiedenheit nicht irre werden. Sie erinnerte ſie, wie duldſam ſich Reinhard und die Pfarrerin gezeigt, noch ehe von irgend einem Verhältniß zu Jenny die Rede geweſen, und ſprach die feſte Ueberzeugung aus, Reinhard in wenigen Tagen hier und Jenny glücklich zu

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/142>, abgerufen am 05.05.2024.