glücklich wären wir Beide, wenn statt dieses Briefes die Nachricht in Deine Hände käme, Deine Jenny sei gestorben. Du würdest weinen, mein Gustav! Du würdest um mich trauern, mein Andenken lieben, wie Du mich liebst, und ich wäre, glücklich in diesem Ge- danken, geschieden und hätte Ruhe. Warum konnte ich nicht sterben, als ich das letzte Mal in Deinen Armen lag, als Deine volle, ganze Liebe mich beglückte? Denkst Du dar- an, wie ich es wünschte, weil ich so glücklich war; weil ich schon damals ahnte, daß ein Augenblick, wie der jetzige, mir bevorstehen könnte?"
"Bei der Erinnerung an jene Stunde be- schwöre ich Dich, bei der Liebe und Nach- sicht, die Du mir damals gelobt, stoße mich jetzt nicht von Dir, Du, Geliebter! Du, der mich fast seit meiner Kindheit kennt, den ich anbetete, seit ich ihn zuerst sah. Gustav!
glücklich wären wir Beide, wenn ſtatt dieſes Briefes die Nachricht in Deine Hände käme, Deine Jenny ſei geſtorben. Du würdeſt weinen, mein Guſtav! Du würdeſt um mich trauern, mein Andenken lieben, wie Du mich liebſt, und ich wäre, glücklich in dieſem Ge- danken, geſchieden und hätte Ruhe. Warum konnte ich nicht ſterben, als ich das letzte Mal in Deinen Armen lag, als Deine volle, ganze Liebe mich beglückte? Denkſt Du dar- an, wie ich es wünſchte, weil ich ſo glücklich war; weil ich ſchon damals ahnte, daß ein Augenblick, wie der jetzige, mir bevorſtehen könnte?“
„Bei der Erinnerung an jene Stunde be- ſchwöre ich Dich, bei der Liebe und Nach- ſicht, die Du mir damals gelobt, ſtoße mich jetzt nicht von Dir, Du, Geliebter! Du, der mich faſt ſeit meiner Kindheit kennt, den ich anbetete, ſeit ich ihn zuerſt ſah. Guſtav!
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glücklich wären wir Beide, wenn ſtatt dieſes
Briefes die Nachricht in Deine Hände käme,
Deine Jenny ſei geſtorben. Du würdeſt
weinen, mein Guſtav! Du würdeſt um mich
trauern, mein Andenken lieben, wie Du mich
liebſt, und ich wäre, glücklich in dieſem Ge-
danken, geſchieden und hätte Ruhe. Warum
konnte ich nicht ſterben, als ich das letzte
Mal in Deinen Armen lag, als Deine volle,
ganze Liebe mich beglückte? Denkſt Du dar-
an, wie ich es wünſchte, weil ich ſo glücklich
war; weil ich ſchon damals ahnte, daß ein
Augenblick, wie der jetzige, mir bevorſtehen
könnte?“
„Bei der Erinnerung an jene Stunde be-
ſchwöre ich Dich, bei der Liebe und Nach-
ſicht, die Du mir damals gelobt, ſtoße mich
jetzt nicht von Dir, Du, Geliebter! Du, der
mich faſt ſeit meiner Kindheit kennt, den ich
anbetete, ſeit ich ihn zuerſt ſah. Guſtav!
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/137>, abgerufen am 25.11.2024.
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