Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

mein geliebtes Weib, unauslöslich, untrennbar
mit mir verbunden, mein sein wird."

Ihrer Hand entsank das Blatt, sie war
vernichtet. Zum zweiten Mal, wie bei der Taufe,
ein freventliches Spiel zu treiben mit Dem, was
Reinhard das Heiligste auf der Welt war, das
vermochte sie nicht. Jetzt, das fühlte sie, war
der entscheidende Moment gekommen, in wel-
chem sie entweder sich durch einen gewaltsamen
Entschluß in ihrer eigenen Achtung wieder her-
stellen und ihr Gewissen in Bezug auf Rein-
hard beruhigen, oder sich mit geschlossenen
Augen in ein Labyrinth stürzen mußte, in dem
sie und der Geliebte untergehen konnten.

Der Kampf war furchtbar. Endlich siegte
die Wahrheit, und aufgelöst in Schmerz schrieb
sie nach durchwachter Nacht, als schon das helle
Tageslicht in ihre Fenstern schien, folgenden
Brief an Reinhard:

"Einzig Geliebter! Wie unaussprechlich

mein geliebtes Weib, unauſlöslich, untrennbar
mit mir verbunden, mein ſein wird.“

Ihrer Hand entſank das Blatt, ſie war
vernichtet. Zum zweiten Mal, wie bei der Taufe,
ein freventliches Spiel zu treiben mit Dem, was
Reinhard das Heiligſte auf der Welt war, das
vermochte ſie nicht. Jetzt, das fühlte ſie, war
der entſcheidende Moment gekommen, in wel-
chem ſie entweder ſich durch einen gewaltſamen
Entſchluß in ihrer eigenen Achtung wieder her-
ſtellen und ihr Gewiſſen in Bezug auf Rein-
hard beruhigen, oder ſich mit geſchloſſenen
Augen in ein Labyrinth ſtürzen mußte, in dem
ſie und der Geliebte untergehen konnten.

Der Kampf war furchtbar. Endlich ſiegte
die Wahrheit, und aufgelöſt in Schmerz ſchrieb
ſie nach durchwachter Nacht, als ſchon das helle
Tageslicht in ihre Fenſtern ſchien, folgenden
Brief an Reinhard:

„Einzig Geliebter! Wie unausſprechlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="126"/>
mein geliebtes Weib, unau&#x017F;löslich, untrennbar<lb/>
mit mir verbunden, <hi rendition="#g">mein</hi> &#x017F;ein wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ihrer Hand ent&#x017F;ank das Blatt, &#x017F;ie war<lb/>
vernichtet. Zum zweiten Mal, wie bei der Taufe,<lb/>
ein freventliches Spiel zu treiben mit Dem, was<lb/>
Reinhard das Heilig&#x017F;te auf der Welt war, das<lb/>
vermochte &#x017F;ie nicht. Jetzt, das fühlte &#x017F;ie, war<lb/>
der ent&#x017F;cheidende Moment gekommen, in wel-<lb/>
chem &#x017F;ie entweder &#x017F;ich durch einen gewalt&#x017F;amen<lb/>
Ent&#x017F;chluß in ihrer eigenen Achtung wieder her-<lb/>
&#x017F;tellen und ihr Gewi&#x017F;&#x017F;en in Bezug auf Rein-<lb/>
hard beruhigen, oder &#x017F;ich mit ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Augen in ein Labyrinth &#x017F;türzen mußte, in dem<lb/>
&#x017F;ie und der Geliebte untergehen konnten.</p><lb/>
        <p>Der Kampf war furchtbar. Endlich &#x017F;iegte<lb/>
die Wahrheit, und aufgelö&#x017F;t in Schmerz &#x017F;chrieb<lb/>
&#x017F;ie nach durchwachter Nacht, als &#x017F;chon das helle<lb/>
Tageslicht in ihre Fen&#x017F;tern &#x017F;chien, folgenden<lb/>
Brief an Reinhard:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einzig Geliebter! Wie unaus&#x017F;prechlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0136] mein geliebtes Weib, unauſlöslich, untrennbar mit mir verbunden, mein ſein wird.“ Ihrer Hand entſank das Blatt, ſie war vernichtet. Zum zweiten Mal, wie bei der Taufe, ein freventliches Spiel zu treiben mit Dem, was Reinhard das Heiligſte auf der Welt war, das vermochte ſie nicht. Jetzt, das fühlte ſie, war der entſcheidende Moment gekommen, in wel- chem ſie entweder ſich durch einen gewaltſamen Entſchluß in ihrer eigenen Achtung wieder her- ſtellen und ihr Gewiſſen in Bezug auf Rein- hard beruhigen, oder ſich mit geſchloſſenen Augen in ein Labyrinth ſtürzen mußte, in dem ſie und der Geliebte untergehen konnten. Der Kampf war furchtbar. Endlich ſiegte die Wahrheit, und aufgelöſt in Schmerz ſchrieb ſie nach durchwachter Nacht, als ſchon das helle Tageslicht in ihre Fenſtern ſchien, folgenden Brief an Reinhard: „Einzig Geliebter! Wie unausſprechlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/136
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/136>, abgerufen am 05.05.2024.