men, ihrer Mutter zu sagen, daß sie William nicht liebe und ihn nicht heirathen könne, und hatte sich gefaßt gemacht, den heftigen Zorn derselben mit Ergebung zu tragen. Jetzt aber, als die Mutter vor ihr lag, in der gewohnten prächtigen Kleidung, die stolzen Züge ganz ge- brochen von der Macht des Leidens, fehlte ihr der Muth, sie durch eine entschiedene Weigerung noch mehr zu betrüben. Nur um Aufschub wollte sie fürs Erste bitten und that es, indem sie der Commerzienräthin vorstellte, wie ihr lei- dender Zustand keine Aufregung gestatte und wie William gern bereit sein würde, zu war- ten, bis die Mutter wieder ganz wohl und kräftig sei. Aber auch davon wollte diese nichts hören, und als in diesem Moment Eduard in das Zimmer trat, um seinen täglichen Morgen- besuch zu machen, richtete die Commerzienräthin sich lebhaft mit der Frage empor: "Sagen Sie,
men, ihrer Mutter zu ſagen, daß ſie William nicht liebe und ihn nicht heirathen könne, und hatte ſich gefaßt gemacht, den heftigen Zorn derſelben mit Ergebung zu tragen. Jetzt aber, als die Mutter vor ihr lag, in der gewohnten prächtigen Kleidung, die ſtolzen Züge ganz ge- brochen von der Macht des Leidens, fehlte ihr der Muth, ſie durch eine entſchiedene Weigerung noch mehr zu betrüben. Nur um Aufſchub wollte ſie fürs Erſte bitten und that es, indem ſie der Commerzienräthin vorſtellte, wie ihr lei- dender Zuſtand keine Aufregung geſtatte und wie William gern bereit ſein würde, zu war- ten, bis die Mutter wieder ganz wohl und kräftig ſei. Aber auch davon wollte dieſe nichts hören, und als in dieſem Moment Eduard in das Zimmer trat, um ſeinen täglichen Morgen- beſuch zu machen, richtete die Commerzienräthin ſich lebhaft mit der Frage empor: „Sagen Sie,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0111"n="101"/><lb/>
men, ihrer Mutter zu ſagen, daß ſie William<lb/>
nicht liebe und ihn nicht heirathen könne, und<lb/>
hatte ſich gefaßt gemacht, den heftigen Zorn<lb/>
derſelben mit Ergebung zu tragen. Jetzt aber,<lb/>
als die Mutter vor ihr lag, in der gewohnten<lb/>
prächtigen Kleidung, die ſtolzen Züge ganz ge-<lb/>
brochen von der Macht des Leidens, fehlte ihr<lb/>
der Muth, ſie durch eine entſchiedene Weigerung<lb/>
noch mehr zu betrüben. Nur um Aufſchub<lb/>
wollte ſie fürs Erſte bitten und that es, indem<lb/>ſie der Commerzienräthin vorſtellte, wie ihr lei-<lb/>
dender Zuſtand keine Aufregung geſtatte und<lb/>
wie William gern bereit ſein würde, zu war-<lb/>
ten, bis die Mutter wieder ganz wohl und<lb/>
kräftig ſei. Aber auch davon wollte dieſe nichts<lb/>
hören, und als in dieſem Moment Eduard in<lb/>
das Zimmer trat, um ſeinen täglichen Morgen-<lb/>
beſuch zu machen, richtete die Commerzienräthin<lb/>ſich lebhaft mit der Frage empor: „Sagen Sie,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[101/0111]
men, ihrer Mutter zu ſagen, daß ſie William
nicht liebe und ihn nicht heirathen könne, und
hatte ſich gefaßt gemacht, den heftigen Zorn
derſelben mit Ergebung zu tragen. Jetzt aber,
als die Mutter vor ihr lag, in der gewohnten
prächtigen Kleidung, die ſtolzen Züge ganz ge-
brochen von der Macht des Leidens, fehlte ihr
der Muth, ſie durch eine entſchiedene Weigerung
noch mehr zu betrüben. Nur um Aufſchub
wollte ſie fürs Erſte bitten und that es, indem
ſie der Commerzienräthin vorſtellte, wie ihr lei-
dender Zuſtand keine Aufregung geſtatte und
wie William gern bereit ſein würde, zu war-
ten, bis die Mutter wieder ganz wohl und
kräftig ſei. Aber auch davon wollte dieſe nichts
hören, und als in dieſem Moment Eduard in
das Zimmer trat, um ſeinen täglichen Morgen-
beſuch zu machen, richtete die Commerzienräthin
ſich lebhaft mit der Frage empor: „Sagen Sie,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/111>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.