waren seine Vorstellungen, wie der Glaube bei einer solchen Anstellung gar kein Hinderniß sein könne, wie diese Zurückweisung in den Ge- setzen des Staates nirgends begründet sei -- die Regierung blieb bei ihrem Beschlusse, man nannte Meier einen unruhigen Kopf; seine Neider, an denen es dem Talentvollen, Glück- lichen nie fehlt, lachten über die jüdische Arro- ganz, die sich zu Würden dränge, für die sie nicht berufen sei, und vergaßen, daß die Be- hörden selbst den verspotteten Gegner durch ihre Wahl für den Würdigsten erklärt hatten.
Auf das Empfindlichste gekränkt hatte Meier schon damals sein Vaterland verlassen wollen; doch die angeborne Liebe zu demselben und der Gedanke an seine Eltern hielten ihn davon zurück. Er blieb, und obgleich er das Unrecht, das ihm geschehen, niemals vergessen oder es verschmerzen konnte, das schöne Feld für seine Thätigkeit verloren zu haben, mußte ihn die
waren ſeine Vorſtellungen, wie der Glaube bei einer ſolchen Anſtellung gar kein Hinderniß ſein könne, wie dieſe Zurückweiſung in den Ge- ſetzen des Staates nirgends begründet ſei — die Regierung blieb bei ihrem Beſchluſſe, man nannte Meier einen unruhigen Kopf; ſeine Neider, an denen es dem Talentvollen, Glück- lichen nie fehlt, lachten über die jüdiſche Arro- ganz, die ſich zu Würden dränge, für die ſie nicht berufen ſei, und vergaßen, daß die Be- hörden ſelbſt den verſpotteten Gegner durch ihre Wahl für den Würdigſten erklärt hatten.
Auf das Empfindlichſte gekränkt hatte Meier ſchon damals ſein Vaterland verlaſſen wollen; doch die angeborne Liebe zu demſelben und der Gedanke an ſeine Eltern hielten ihn davon zurück. Er blieb, und obgleich er das Unrecht, das ihm geſchehen, niemals vergeſſen oder es verſchmerzen konnte, das ſchöne Feld für ſeine Thätigkeit verloren zu haben, mußte ihn die
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einer ſolchen Anſtellung gar kein Hinderniß
ſein könne, wie dieſe Zurückweiſung in den Ge-
ſetzen des Staates nirgends begründet ſei — die
Regierung blieb bei ihrem Beſchluſſe, man
nannte Meier einen unruhigen Kopf; ſeine
Neider, an denen es dem Talentvollen, Glück-
lichen nie fehlt, lachten über die jüdiſche Arro-
ganz, die ſich zu Würden dränge, für die ſie
nicht berufen ſei, und vergaßen, daß die Be-
hörden ſelbſt den verſpotteten Gegner durch
ihre Wahl für den Würdigſten erklärt hatten.
Auf das Empfindlichſte gekränkt hatte Meier
ſchon damals ſein Vaterland verlaſſen wollen;
doch die angeborne Liebe zu demſelben und der
Gedanke an ſeine Eltern hielten ihn davon
zurück. Er blieb, und obgleich er das Unrecht,
das ihm geſchehen, niemals vergeſſen oder es
verſchmerzen konnte, das ſchöne Feld für ſeine
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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