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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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ja nie geraubt werden und ihr festes Vertrauen
mußte ihm Freude machen.

Trotz dieser Gedanken, welche sich nach ein-
ander in Jenny entwickelten, konnten sie einer ge-
wissen Beklommenheit nicht Herr werden. Er-
lau's und Theresens Bild trat störend zwischen
sie und Reinhard; und so sehr sie es sich zu ver-
bergen strebte, sie fühlte ungeachtet ihrer guten
Vorsätze einen Groll gegen Therese, wie sie ihn
selbst an jenem Abend nicht empfunden, an dem
ihre Eifersucht Veranlassung zu ihrer Verlobung
geworden. Damals wußte Therese nicht, was
Jenny für Reinhard fühlte; aber daß sie jetzt
den Bräutigam ihrer Freundin zu lieben wagte,
das war ein Verrath, denn sie ihr nicht verge-
ben konnte. Sie war höchst empört, und nur
die Furcht, zu zeigen, daß ihr Therese gefährlich
scheine, hielt sie von Schritten gegen diese zurück,
während sie sich einbildete, der Stimme der Ver-
nunft und Milde Gehör zu geben, wenn sie The-

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ja nie geraubt werden und ihr feſtes Vertrauen
mußte ihm Freude machen.

Trotz dieſer Gedanken, welche ſich nach ein-
ander in Jenny entwickelten, konnten ſie einer ge-
wiſſen Beklommenheit nicht Herr werden. Er-
lau's und Thereſens Bild trat ſtörend zwiſchen
ſie und Reinhard; und ſo ſehr ſie es ſich zu ver-
bergen ſtrebte, ſie fühlte ungeachtet ihrer guten
Vorſätze einen Groll gegen Thereſe, wie ſie ihn
ſelbſt an jenem Abend nicht empfunden, an dem
ihre Eiferſucht Veranlaſſung zu ihrer Verlobung
geworden. Damals wußte Thereſe nicht, was
Jenny für Reinhard fühlte; aber daß ſie jetzt
den Bräutigam ihrer Freundin zu lieben wagte,
das war ein Verrath, denn ſie ihr nicht verge-
ben konnte. Sie war höchſt empört, und nur
die Furcht, zu zeigen, daß ihr Thereſe gefährlich
ſcheine, hielt ſie von Schritten gegen dieſe zurück,
während ſie ſich einbildete, der Stimme der Ver-
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[409/0417] ja nie geraubt werden und ihr feſtes Vertrauen mußte ihm Freude machen. Trotz dieſer Gedanken, welche ſich nach ein- ander in Jenny entwickelten, konnten ſie einer ge- wiſſen Beklommenheit nicht Herr werden. Er- lau's und Thereſens Bild trat ſtörend zwiſchen ſie und Reinhard; und ſo ſehr ſie es ſich zu ver- bergen ſtrebte, ſie fühlte ungeachtet ihrer guten Vorſätze einen Groll gegen Thereſe, wie ſie ihn ſelbſt an jenem Abend nicht empfunden, an dem ihre Eiferſucht Veranlaſſung zu ihrer Verlobung geworden. Damals wußte Thereſe nicht, was Jenny für Reinhard fühlte; aber daß ſie jetzt den Bräutigam ihrer Freundin zu lieben wagte, das war ein Verrath, denn ſie ihr nicht verge- ben konnte. Sie war höchſt empört, und nur die Furcht, zu zeigen, daß ihr Thereſe gefährlich ſcheine, hielt ſie von Schritten gegen dieſe zurück, während ſie ſich einbildete, der Stimme der Ver- nunft und Milde Gehör zu geben, wenn ſie The- 18 * *

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/417>, abgerufen am 02.05.2024.