Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

welt, der wir sie überliefern. Anders ist es
mit den Gestalten, die dauernd in unserer
Seele leben und deren Abbild, nur von uns
gesehen, auf unserm Herzen ruht", erwiderte
Erlau und zog eine kleine Kapsel hervor, die
er mit einem Federdruck öffnete, und in wel-
cher Jenny ihr eigenes Bild im Costüme der
Rebekka sprechend ähnlich erblickte.

"Erlau!" rief Jenny erschreckt", um Got-
tes willen, was soll das heißen?

"Das heißt, daß ich nicht das Irrlicht, der
leichtfertige, unbeständige Mann bin, für den
Sie mich halten; es beweist, daß auch ich das
geistig Schöne erkennen und leidenschaftlich --
er hielt inne, und sagte dann mit leiserem
Tone "verehren kann."

Verwirrt und überrascht schwieg Jenny
still und sah scheu zur Erde nieder. Dies
Schweigen benutzte Erlau. "Fürchten Sie
nichts, Jenny!" sagte er, "ich gehöre nicht

welt, der wir ſie überliefern. Anders iſt es
mit den Geſtalten, die dauernd in unſerer
Seele leben und deren Abbild, nur von uns
geſehen, auf unſerm Herzen ruht“, erwiderte
Erlau und zog eine kleine Kapſel hervor, die
er mit einem Federdruck öffnete, und in wel-
cher Jenny ihr eigenes Bild im Coſtüme der
Rebekka ſprechend ähnlich erblickte.

„Erlau!“ rief Jenny erſchreckt“, um Got-
tes willen, was ſoll das heißen?

„Das heißt, daß ich nicht das Irrlicht, der
leichtfertige, unbeſtändige Mann bin, für den
Sie mich halten; es beweiſt, daß auch ich das
geiſtig Schöne erkennen und leidenſchaftlich —
er hielt inne, und ſagte dann mit leiſerem
Tone „verehren kann.“

Verwirrt und überraſcht ſchwieg Jenny
ſtill und ſah ſcheu zur Erde nieder. Dies
Schweigen benutzte Erlau. „Fürchten Sie
nichts, Jenny!“ ſagte er, „ich gehöre nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0407" n="399"/>
welt, der wir &#x017F;ie überliefern. Anders i&#x017F;t es<lb/>
mit den Ge&#x017F;talten, die dauernd in un&#x017F;erer<lb/>
Seele leben und deren Abbild, nur von uns<lb/>
ge&#x017F;ehen, auf un&#x017F;erm Herzen ruht&#x201C;, erwiderte<lb/>
Erlau und zog eine kleine Kap&#x017F;el hervor, die<lb/>
er mit einem Federdruck öffnete, und in wel-<lb/>
cher Jenny ihr eigenes Bild im Co&#x017F;tüme der<lb/>
Rebekka &#x017F;prechend ähnlich erblickte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Erlau!&#x201C; rief Jenny er&#x017F;chreckt&#x201C;, um Got-<lb/>
tes willen, was &#x017F;oll das heißen?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das heißt, daß ich nicht das Irrlicht, der<lb/>
leichtfertige, unbe&#x017F;tändige Mann bin, für den<lb/>
Sie mich halten; es bewei&#x017F;t, daß auch ich das<lb/>
gei&#x017F;tig Schöne erkennen und leiden&#x017F;chaftlich &#x2014;<lb/>
er hielt inne, und &#x017F;agte dann mit lei&#x017F;erem<lb/>
Tone &#x201E;verehren kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Verwirrt und überra&#x017F;cht &#x017F;chwieg Jenny<lb/>
&#x017F;till und &#x017F;ah &#x017F;cheu zur Erde nieder. Dies<lb/>
Schweigen benutzte Erlau. &#x201E;Fürchten Sie<lb/>
nichts, Jenny!&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;ich gehöre nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0407] welt, der wir ſie überliefern. Anders iſt es mit den Geſtalten, die dauernd in unſerer Seele leben und deren Abbild, nur von uns geſehen, auf unſerm Herzen ruht“, erwiderte Erlau und zog eine kleine Kapſel hervor, die er mit einem Federdruck öffnete, und in wel- cher Jenny ihr eigenes Bild im Coſtüme der Rebekka ſprechend ähnlich erblickte. „Erlau!“ rief Jenny erſchreckt“, um Got- tes willen, was ſoll das heißen? „Das heißt, daß ich nicht das Irrlicht, der leichtfertige, unbeſtändige Mann bin, für den Sie mich halten; es beweiſt, daß auch ich das geiſtig Schöne erkennen und leidenſchaftlich — er hielt inne, und ſagte dann mit leiſerem Tone „verehren kann.“ Verwirrt und überraſcht ſchwieg Jenny ſtill und ſah ſcheu zur Erde nieder. Dies Schweigen benutzte Erlau. „Fürchten Sie nichts, Jenny!“ ſagte er, „ich gehöre nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/407
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/407>, abgerufen am 25.11.2024.