liebten, zur Erlangung seines guten Rechtes führen konnte. Dann, als der erste Sturm vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue und verstand die Schönheit einer Seele, die so zu entsagen vermochte. Er konnte die Zeit nicht erwarten, in der es ihm vergönnt sein würde, sie wiederzusehen, und durfte doch nicht wagen, den ersehnten Augenblick herbeizufüh- ren, ehe sie ihn dazu berechtigte. Sein Herz war noch tief bewegt und übervoll, als der Geist schon wieder zu seiner Klarheit gelangte und sich an einem Gedanken mächtig empor- rankte. Um sein Glück war es geschehen; sein Leben hatte man der reinsten Freuden beraubt; darum fühlte er den Muth, Alles von sich zu werfen, sein Vaterland, seine Aussichten für die Zukunft, selbst seine Freiheit, wenn es sein mußte, um damit das Einzige zu erkau- fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür- gerliche Emancipation seines Volkes. Diese
liebten, zur Erlangung ſeines guten Rechtes führen konnte. Dann, als der erſte Sturm vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue und verſtand die Schönheit einer Seele, die ſo zu entſagen vermochte. Er konnte die Zeit nicht erwarten, in der es ihm vergönnt ſein würde, ſie wiederzuſehen, und durfte doch nicht wagen, den erſehnten Augenblick herbeizufüh- ren, ehe ſie ihn dazu berechtigte. Sein Herz war noch tief bewegt und übervoll, als der Geiſt ſchon wieder zu ſeiner Klarheit gelangte und ſich an einem Gedanken mächtig empor- rankte. Um ſein Glück war es geſchehen; ſein Leben hatte man der reinſten Freuden beraubt; darum fühlte er den Muth, Alles von ſich zu werfen, ſein Vaterland, ſeine Ausſichten für die Zukunft, ſelbſt ſeine Freiheit, wenn es ſein mußte, um damit das Einzige zu erkau- fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür- gerliche Emancipation ſeines Volkes. Dieſe
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liebten, zur Erlangung ſeines guten Rechtes
führen konnte. Dann, als der erſte Sturm
vorüber war, las er Clara's Brief aufs Neue
und verſtand die Schönheit einer Seele, die
ſo zu entſagen vermochte. Er konnte die Zeit
nicht erwarten, in der es ihm vergönnt ſein
würde, ſie wiederzuſehen, und durfte doch nicht
wagen, den erſehnten Augenblick herbeizufüh-
ren, ehe ſie ihn dazu berechtigte. Sein Herz
war noch tief bewegt und übervoll, als der
Geiſt ſchon wieder zu ſeiner Klarheit gelangte
und ſich an einem Gedanken mächtig empor-
rankte. Um ſein Glück war es geſchehen; ſein
Leben hatte man der reinſten Freuden beraubt;
darum fühlte er den Muth, Alles von ſich zu
werfen, ſein Vaterland, ſeine Ausſichten für
die Zukunft, ſelbſt ſeine Freiheit, wenn es
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fen, das noch Werth für ihn hatte: die bür-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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