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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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das Du fällst, zu ändern. Was Dein lieben-
des Herz über Dich vermag, was Dein gerader
Sinn Dir zu thun gebietet, das soll auch meine
Richtschnur sein, nur versage mir die Gunst nicht,
Dich noch Einmal zu sehen. Lebe wohl, Clara!"

Vergebens würde es sein, ein Bild des
zerreißenden Schmerzes zu geben, mit dem
Eduard diesen Brief geschrieben, oder der Ge-
fühle, die er in Clara hervorrief. Wer es je
erfahren, plötzlich eines Glückes beraubt zu
werden, auf das er eben ein volles Anrecht
erworben, der mag ahnen, was Eduard und
Clara litten bei dem Gedanken an Trennung,
jetzt, nachdem sie durch das gegenseitige Ge-
ständniß ihrer Liebe sich an einander gebunden.
Von Minute zu Minute zögerte Clara, eine
Antwort zu geben, die, so innig sie Eduard
liebte, niemals eine günstige sein konnte. Im-
mer hoffte sie, es werde sich ihr ein Aus-
weg aus dem Labyrinthe zeigen; sie fürchtete

das Du fällſt, zu ändern. Was Dein lieben-
des Herz über Dich vermag, was Dein gerader
Sinn Dir zu thun gebietet, das ſoll auch meine
Richtſchnur ſein, nur verſage mir die Gunſt nicht,
Dich noch Einmal zu ſehen. Lebe wohl, Clara!“

Vergebens würde es ſein, ein Bild des
zerreißenden Schmerzes zu geben, mit dem
Eduard dieſen Brief geſchrieben, oder der Ge-
fühle, die er in Clara hervorrief. Wer es je
erfahren, plötzlich eines Glückes beraubt zu
werden, auf das er eben ein volles Anrecht
erworben, der mag ahnen, was Eduard und
Clara litten bei dem Gedanken an Trennung,
jetzt, nachdem ſie durch das gegenſeitige Ge-
ſtändniß ihrer Liebe ſich an einander gebunden.
Von Minute zu Minute zögerte Clara, eine
Antwort zu geben, die, ſo innig ſie Eduard
liebte, niemals eine günſtige ſein konnte. Im-
mer hoffte ſie, es werde ſich ihr ein Aus-
weg aus dem Labyrinthe zeigen; ſie fürchtete

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[370/0378] das Du fällſt, zu ändern. Was Dein lieben- des Herz über Dich vermag, was Dein gerader Sinn Dir zu thun gebietet, das ſoll auch meine Richtſchnur ſein, nur verſage mir die Gunſt nicht, Dich noch Einmal zu ſehen. Lebe wohl, Clara!“ Vergebens würde es ſein, ein Bild des zerreißenden Schmerzes zu geben, mit dem Eduard dieſen Brief geſchrieben, oder der Ge- fühle, die er in Clara hervorrief. Wer es je erfahren, plötzlich eines Glückes beraubt zu werden, auf das er eben ein volles Anrecht erworben, der mag ahnen, was Eduard und Clara litten bei dem Gedanken an Trennung, jetzt, nachdem ſie durch das gegenſeitige Ge- ſtändniß ihrer Liebe ſich an einander gebunden. Von Minute zu Minute zögerte Clara, eine Antwort zu geben, die, ſo innig ſie Eduard liebte, niemals eine günſtige ſein konnte. Im- mer hoffte ſie, es werde ſich ihr ein Aus- weg aus dem Labyrinthe zeigen; ſie fürchtete

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/378>, abgerufen am 24.11.2024.