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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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dernisse, die uns trennen, gezeigt hätte. Clara
weiß, daß wir wenig hoffen dürfen."

"Wozu nützt ihr dieses Wissen?" fragte der
Vater. "Rechnet sie darum weniger auf die
Erfüllung Eurer gemeinsamen Wünsche? Und
geschah es auch, um ihr jede Hoffnung zu
rauben, daß Du sie in unser Haus geführt?
Glaubst Du, Jenny's bevorstehende Taufe
werde ihr nicht den Muth geben, auch von
Dir Aehnliches zu erwarten? Was soll Cla-
ra's Vater von mir denken, daß ich seine
Tochter in mein Haus aufgenommen und mich
dadurch zum Förderer und Schützer einer Liebe
hergegeben habe, durch die das Mädchen un-
glücklich wird?"

"Vater, Du gehst zu weit!" sagte Eduard
in heftigster Bewegung. Der alte Herr aber,
der bis dahin mit kalter Ruhe, fast streng mit
dem Sohne gesprochen, nahm plötzlich seine
Hand, die er herzlich drückte, und sprach

derniſſe, die uns trennen, gezeigt hätte. Clara
weiß, daß wir wenig hoffen dürfen.“

„Wozu nützt ihr dieſes Wiſſen?“ fragte der
Vater. „Rechnet ſie darum weniger auf die
Erfüllung Eurer gemeinſamen Wünſche? Und
geſchah es auch, um ihr jede Hoffnung zu
rauben, daß Du ſie in unſer Haus geführt?
Glaubſt Du, Jenny's bevorſtehende Taufe
werde ihr nicht den Muth geben, auch von
Dir Aehnliches zu erwarten? Was ſoll Cla-
ra's Vater von mir denken, daß ich ſeine
Tochter in mein Haus aufgenommen und mich
dadurch zum Förderer und Schützer einer Liebe
hergegeben habe, durch die das Mädchen un-
glücklich wird?“

„Vater, Du gehſt zu weit!“ ſagte Eduard
in heftigſter Bewegung. Der alte Herr aber,
der bis dahin mit kalter Ruhe, faſt ſtreng mit
dem Sohne geſprochen, nahm plötzlich ſeine
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[352/0360] derniſſe, die uns trennen, gezeigt hätte. Clara weiß, daß wir wenig hoffen dürfen.“ „Wozu nützt ihr dieſes Wiſſen?“ fragte der Vater. „Rechnet ſie darum weniger auf die Erfüllung Eurer gemeinſamen Wünſche? Und geſchah es auch, um ihr jede Hoffnung zu rauben, daß Du ſie in unſer Haus geführt? Glaubſt Du, Jenny's bevorſtehende Taufe werde ihr nicht den Muth geben, auch von Dir Aehnliches zu erwarten? Was ſoll Cla- ra's Vater von mir denken, daß ich ſeine Tochter in mein Haus aufgenommen und mich dadurch zum Förderer und Schützer einer Liebe hergegeben habe, durch die das Mädchen un- glücklich wird?“ „Vater, Du gehſt zu weit!“ ſagte Eduard in heftigſter Bewegung. Der alte Herr aber, der bis dahin mit kalter Ruhe, faſt ſtreng mit dem Sohne geſprochen, nahm plötzlich ſeine Hand, die er herzlich drückte, und ſprach

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/360>, abgerufen am 23.11.2024.