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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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seinen Hals, und als er sie umfaßte, hob er
die kleine anmuthige Gestalt in die Höhe und
ließ sie nur ungern zur Erde hinunter, als sie
lachend ausrief: "Du weißt wohl, mein Him-
mel ist in Deinen Armen, aber da heute auf
Erden Sylvester und Ball bei uns ist, so
werde ich doch nur zu den Erdensöhnen hinun-
tereilen müssen. Adieu! mein Himmel!" rief
sie und wollte forteilen.

Reinhard aber hinderte sie daran: "Komm,
komm, mein Herz, laß mich noch einmal in
Deine Augen sehen", bat er. "O!" rief er
dann und küßte trunken Jenny's lange Wim-
pern, "die süßen Augen sind ja licht und
fröhlich --nun bin ich ruhig, nun gehe, mein
Leben!" --

Jenny fragte scherzend, was er denn in ihren
Augen heute besonders zu finden geglaubt? --

"Den Schmerz, den sie ausgedrückt, als
Du in dem Bilde gesessen. Jenny, wenn ich

ſeinen Hals, und als er ſie umfaßte, hob er
die kleine anmuthige Geſtalt in die Höhe und
ließ ſie nur ungern zur Erde hinunter, als ſie
lachend ausrief: „Du weißt wohl, mein Him-
mel iſt in Deinen Armen, aber da heute auf
Erden Sylveſter und Ball bei uns iſt, ſo
werde ich doch nur zu den Erdenſöhnen hinun-
tereilen müſſen. Adieu! mein Himmel!“ rief
ſie und wollte forteilen.

Reinhard aber hinderte ſie daran: „Komm,
komm, mein Herz, laß mich noch einmal in
Deine Augen ſehen“, bat er. „O!“ rief er
dann und küßte trunken Jenny's lange Wim-
pern, „die ſüßen Augen ſind ja licht und
fröhlich —nun bin ich ruhig, nun gehe, mein
Leben!“ —

Jenny fragte ſcherzend, was er denn in ihren
Augen heute beſonders zu finden geglaubt? —

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[254/0266] ſeinen Hals, und als er ſie umfaßte, hob er die kleine anmuthige Geſtalt in die Höhe und ließ ſie nur ungern zur Erde hinunter, als ſie lachend ausrief: „Du weißt wohl, mein Him- mel iſt in Deinen Armen, aber da heute auf Erden Sylveſter und Ball bei uns iſt, ſo werde ich doch nur zu den Erdenſöhnen hinun- tereilen müſſen. Adieu! mein Himmel!“ rief ſie und wollte forteilen. Reinhard aber hinderte ſie daran: „Komm, komm, mein Herz, laß mich noch einmal in Deine Augen ſehen“, bat er. „O!“ rief er dann und küßte trunken Jenny's lange Wim- pern, „die ſüßen Augen ſind ja licht und fröhlich —nun bin ich ruhig, nun gehe, mein Leben!“ — Jenny fragte ſcherzend, was er denn in ihren Augen heute beſonders zu finden geglaubt? — „Den Schmerz, den ſie ausgedrückt, als Du in dem Bilde geſeſſen. Jenny, wenn ich

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/266>, abgerufen am 24.11.2024.