der geachtesten eines -- solch Mädchen mußte mir Dich oder einen andern Schwiegersohn bringen, der meinem Hause Ehre machte, dem ich die Firma übergeben, den ich den Leuten zeigen könnte. Ich weiß, daß meines Kindes Glück meine erste Pflicht ist, es ist auch mein höchstes Glück, aber ich bin nicht allein Vater, ich bin auch Kaufmann. Auch mein Haus ist ein Theil meines Ich's und es will mir nicht in den Sinn, daß meine einzige Toch- ter sich mit einem Studenten oder Candidaten verlobe, der noch nichts ist und von dem man nichts weiß, als daß er wegen Demagogie in Untersuchung gewesen. Und", fügte er plötzlich weicher hinzu, "der vielleicht in seinem Stolze noch glaubt, ein Opfer zu bringen, mir eine Ehre zu erzeigen, indem er ein Judenmädchen heirathet."
Und wieder entstand eine Pause. Herr Meier ging rasch im Zimmer umher, bis
der geachteſten eines — ſolch Mädchen mußte mir Dich oder einen andern Schwiegerſohn bringen, der meinem Hauſe Ehre machte, dem ich die Firma übergeben, den ich den Leuten zeigen könnte. Ich weiß, daß meines Kindes Glück meine erſte Pflicht iſt, es iſt auch mein höchſtes Glück, aber ich bin nicht allein Vater, ich bin auch Kaufmann. Auch mein Haus iſt ein Theil meines Ich's und es will mir nicht in den Sinn, daß meine einzige Toch- ter ſich mit einem Studenten oder Candidaten verlobe, der noch nichts iſt und von dem man nichts weiß, als daß er wegen Demagogie in Unterſuchung geweſen. Und“, fügte er plötzlich weicher hinzu, „der vielleicht in ſeinem Stolze noch glaubt, ein Opfer zu bringen, mir eine Ehre zu erzeigen, indem er ein Judenmädchen heirathet.“
Und wieder entſtand eine Pauſe. Herr Meier ging raſch im Zimmer umher, bis
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0252"n="240"/>
der geachteſten eines —ſolch Mädchen mußte<lb/>
mir Dich oder einen andern Schwiegerſohn<lb/>
bringen, der meinem Hauſe Ehre machte, dem<lb/>
ich die Firma übergeben, den ich den Leuten<lb/>
zeigen könnte. Ich weiß, daß meines Kindes<lb/>
Glück meine erſte Pflicht iſt, es iſt auch mein<lb/>
höchſtes Glück, aber ich bin nicht allein Vater,<lb/>
ich bin auch Kaufmann. Auch mein Haus<lb/>
iſt ein Theil meines Ich's und es will mir<lb/>
nicht in den Sinn, daß meine einzige Toch-<lb/>
ter ſich mit einem Studenten oder Candidaten<lb/>
verlobe, der noch nichts iſt und von dem man<lb/>
nichts weiß, als daß er wegen Demagogie in<lb/>
Unterſuchung geweſen. Und“, fügte er plötzlich<lb/>
weicher hinzu, „der vielleicht in ſeinem Stolze<lb/>
noch glaubt, ein Opfer zu bringen, mir eine<lb/>
Ehre zu erzeigen, indem er ein Judenmädchen<lb/>
heirathet.“</p><lb/><p>Und wieder entſtand eine Pauſe. Herr<lb/>
Meier ging raſch im Zimmer umher, bis<lb/></p></div></body></text></TEI>
[240/0252]
der geachteſten eines — ſolch Mädchen mußte
mir Dich oder einen andern Schwiegerſohn
bringen, der meinem Hauſe Ehre machte, dem
ich die Firma übergeben, den ich den Leuten
zeigen könnte. Ich weiß, daß meines Kindes
Glück meine erſte Pflicht iſt, es iſt auch mein
höchſtes Glück, aber ich bin nicht allein Vater,
ich bin auch Kaufmann. Auch mein Haus
iſt ein Theil meines Ich's und es will mir
nicht in den Sinn, daß meine einzige Toch-
ter ſich mit einem Studenten oder Candidaten
verlobe, der noch nichts iſt und von dem man
nichts weiß, als daß er wegen Demagogie in
Unterſuchung geweſen. Und“, fügte er plötzlich
weicher hinzu, „der vielleicht in ſeinem Stolze
noch glaubt, ein Opfer zu bringen, mir eine
Ehre zu erzeigen, indem er ein Judenmädchen
heirathet.“
Und wieder entſtand eine Pauſe. Herr
Meier ging raſch im Zimmer umher, bis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/252>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.