gung und allem Ernste daran arbeitet, die Vollkommenheit, die er im Auge hat, sein Ideal eines Menschen zu erreichen, darum glaubt er sich berechtigt, auch an Andere die gleichen Ansprüche zu machen. Sowie er das Leben, die Liebe auffaßt, sind sie nicht, und die Ehe, dieser Gipfel der Civilisation, bleibt trotz der höchsten Liebe, die zwei treffliche Men- schen verbinden mag, immerdar hinter Dem zu- rück, was einem jungen Manne oder Weibe als Ideal vorschwebt! Der Ruhige, Beson- nene findet sich darein und tröstet sich mit dem unendlich Guten, das sich ihm in der Ehe of- fenbart, über Das, was nicht zu erreichen ist -- das aber, fürchte ich, will und kann Rein- hard nicht. Jenny, die er leidenschaftlich liebt, erscheint ihm vollkommen geeignet, das Ideal einer Hausfrau, einer Gattin zu werden, wie er sie sich träumt; er wird verlangen, daß sie es wird, daß sie darnach ringt und, wie ich
gung und allem Ernſte daran arbeitet, die Vollkommenheit, die er im Auge hat, ſein Ideal eines Menſchen zu erreichen, darum glaubt er ſich berechtigt, auch an Andere die gleichen Anſprüche zu machen. Sowie er das Leben, die Liebe auffaßt, ſind ſie nicht, und die Ehe, dieſer Gipfel der Civiliſation, bleibt trotz der höchſten Liebe, die zwei treffliche Men- ſchen verbinden mag, immerdar hinter Dem zu- rück, was einem jungen Manne oder Weibe als Ideal vorſchwebt! Der Ruhige, Beſon- nene findet ſich darein und tröſtet ſich mit dem unendlich Guten, das ſich ihm in der Ehe of- fenbart, über Das, was nicht zu erreichen iſt — das aber, fürchte ich, will und kann Rein- hard nicht. Jenny, die er leidenſchaftlich liebt, erſcheint ihm vollkommen geeignet, das Ideal einer Hausfrau, einer Gattin zu werden, wie er ſie ſich träumt; er wird verlangen, daß ſie es wird, daß ſie darnach ringt und, wie ich
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gung und allem Ernſte daran arbeitet, die
Vollkommenheit, die er im Auge hat, ſein
Ideal eines Menſchen zu erreichen, darum
glaubt er ſich berechtigt, auch an Andere die
gleichen Anſprüche zu machen. Sowie er das
Leben, die Liebe auffaßt, ſind ſie nicht, und
die Ehe, dieſer Gipfel der Civiliſation, bleibt
trotz der höchſten Liebe, die zwei treffliche Men-
ſchen verbinden mag, immerdar hinter Dem zu-
rück, was einem jungen Manne oder Weibe
als Ideal vorſchwebt! Der Ruhige, Beſon-
nene findet ſich darein und tröſtet ſich mit dem
unendlich Guten, das ſich ihm in der Ehe of-
fenbart, über Das, was nicht zu erreichen iſt
— das aber, fürchte ich, will und kann Rein-
hard nicht. Jenny, die er leidenſchaftlich liebt,
erſcheint ihm vollkommen geeignet, das Ideal
einer Hausfrau, einer Gattin zu werden, wie
er ſie ſich träumt; er wird verlangen, daß ſie
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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