zum Zuhörer hatten. In heftigster Bewegung, halb außer sich vor Schmerz, Zorn und Scham, folgte sie Erlau in den Saal, probirte, scherzte und lachte, während das wilde Schlagen ihres Herzens ihr fast die Besinnung raubte. Endlich war die Probe beendet; es trieb sie, Reinhard aufzusuchen, sich um jeden Preis mit ihm zu verständigen; die Qualen zu beenden, denen sie Beide unterlagen. Sie wollte den Saal ver- lassen; ihr volles Herz sollte ohne Rückhalt zu dem Geliebten sprechen; die demüthigste Abbitte schien ihr nicht zu schwer -- aber die Fremden wichen nicht von ihrer Seite. Trotz dem eilte sie, in Reinhard's Nähe zu kommen, um ihn wenigstens zu sehen. Da fand sie, wie sie glaubte, Reinhard und Therese in zärtlich heim- lichem Gespräche. Ihre beste Freundin, der Mann, der ihr Alles war, hatten sie verrathen! Das war zu viel für ein so junges, heißes Herz; convulsivisch zuckte es zusammen und sie
zum Zuhörer hatten. In heftigſter Bewegung, halb außer ſich vor Schmerz, Zorn und Scham, folgte ſie Erlau in den Saal, probirte, ſcherzte und lachte, während das wilde Schlagen ihres Herzens ihr faſt die Beſinnung raubte. Endlich war die Probe beendet; es trieb ſie, Reinhard aufzuſuchen, ſich um jeden Preis mit ihm zu verſtändigen; die Qualen zu beenden, denen ſie Beide unterlagen. Sie wollte den Saal ver- laſſen; ihr volles Herz ſollte ohne Rückhalt zu dem Geliebten ſprechen; die demüthigſte Abbitte ſchien ihr nicht zu ſchwer — aber die Fremden wichen nicht von ihrer Seite. Trotz dem eilte ſie, in Reinhard's Nähe zu kommen, um ihn wenigſtens zu ſehen. Da fand ſie, wie ſie glaubte, Reinhard und Thereſe in zärtlich heim- lichem Geſpräche. Ihre beſte Freundin, der Mann, der ihr Alles war, hatten ſie verrathen! Das war zu viel für ein ſo junges, heißes Herz; convulſiviſch zuckte es zuſammen und ſie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0236"n="224"/>
zum Zuhörer hatten. In heftigſter Bewegung,<lb/>
halb außer ſich vor Schmerz, Zorn und Scham,<lb/>
folgte ſie Erlau in den Saal, probirte, ſcherzte<lb/>
und lachte, während das wilde Schlagen ihres<lb/>
Herzens ihr faſt die Beſinnung raubte. Endlich<lb/>
war die Probe beendet; es trieb ſie, Reinhard<lb/>
aufzuſuchen, ſich um jeden Preis mit ihm zu<lb/>
verſtändigen; die Qualen zu beenden, denen ſie<lb/>
Beide unterlagen. Sie wollte den Saal ver-<lb/>
laſſen; ihr volles Herz ſollte ohne Rückhalt zu<lb/>
dem Geliebten ſprechen; die demüthigſte Abbitte<lb/>ſchien ihr nicht zu ſchwer — aber die Fremden<lb/>
wichen nicht von ihrer Seite. Trotz dem eilte<lb/>ſie, in Reinhard's Nähe zu kommen, um ihn<lb/>
wenigſtens zu ſehen. Da fand ſie, wie ſie<lb/>
glaubte, Reinhard und Thereſe in zärtlich heim-<lb/>
lichem Geſpräche. Ihre beſte Freundin, der<lb/>
Mann, der ihr Alles war, hatten ſie verrathen!<lb/>
Das war zu viel für ein ſo junges, heißes<lb/>
Herz; convulſiviſch zuckte es zuſammen und ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[224/0236]
zum Zuhörer hatten. In heftigſter Bewegung,
halb außer ſich vor Schmerz, Zorn und Scham,
folgte ſie Erlau in den Saal, probirte, ſcherzte
und lachte, während das wilde Schlagen ihres
Herzens ihr faſt die Beſinnung raubte. Endlich
war die Probe beendet; es trieb ſie, Reinhard
aufzuſuchen, ſich um jeden Preis mit ihm zu
verſtändigen; die Qualen zu beenden, denen ſie
Beide unterlagen. Sie wollte den Saal ver-
laſſen; ihr volles Herz ſollte ohne Rückhalt zu
dem Geliebten ſprechen; die demüthigſte Abbitte
ſchien ihr nicht zu ſchwer — aber die Fremden
wichen nicht von ihrer Seite. Trotz dem eilte
ſie, in Reinhard's Nähe zu kommen, um ihn
wenigſtens zu ſehen. Da fand ſie, wie ſie
glaubte, Reinhard und Thereſe in zärtlich heim-
lichem Geſpräche. Ihre beſte Freundin, der
Mann, der ihr Alles war, hatten ſie verrathen!
Das war zu viel für ein ſo junges, heißes
Herz; convulſiviſch zuckte es zuſammen und ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/236>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.