noch nicht aufgesucht?" fragte Eduard. "Das wird ihn gekränkt haben!"
"Hat er mich gefragt, wie er hinausgezo- gen ist, ob ich hinaus kommen werde? Morgen wird's ihm einfallen, auf den Domthurm zu ziehen, und er wird es übel nehmen, wenn ich nicht hinauf klettere und ihn da oben besuche! Dabei fällt mir ein, liebe Mutter! daß wir jetzt unsern Besuch bei Madame Rosenstiel nicht länger verschieben dürfen -- und ich möchte -- obgleich dem Glücklichen keine Uhr schlägt -- Dich daran erinnern, uns auf den Weg zu machen, weil es ein Uhr ist."
Dieser Vorschlag brachte die alte Dame in die höchste Rührigkeit, -- sie stand auf, suchte eifrig nach Boa, Mantille und Handschuhen, die sie im Eifer des Gespräches allmälig abge- legt hatte, und empfahl sich mit vielen Com- plimenten den Anwesenden, nachdem Jenny noch mit Steinheim verabredet, daß für den
noch nicht aufgeſucht?“ fragte Eduard. „Das wird ihn gekränkt haben!“
„Hat er mich gefragt, wie er hinausgezo- gen iſt, ob ich hinaus kommen werde? Morgen wird's ihm einfallen, auf den Domthurm zu ziehen, und er wird es übel nehmen, wenn ich nicht hinauf klettere und ihn da oben beſuche! Dabei fällt mir ein, liebe Mutter! daß wir jetzt unſern Beſuch bei Madame Roſenſtiel nicht länger verſchieben dürfen — und ich möchte — obgleich dem Glücklichen keine Uhr ſchlägt — Dich daran erinnern, uns auf den Weg zu machen, weil es ein Uhr iſt.“
Dieſer Vorſchlag brachte die alte Dame in die höchſte Rührigkeit, — ſie ſtand auf, ſuchte eifrig nach Boa, Mantille und Handſchuhen, die ſie im Eifer des Geſpräches allmälig abge- legt hatte, und empfahl ſich mit vielen Com- plimenten den Anweſenden, nachdem Jenny noch mit Steinheim verabredet, daß für den
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noch nicht aufgeſucht?“ fragte Eduard. „Das
wird ihn gekränkt haben!“
„Hat er mich gefragt, wie er hinausgezo-
gen iſt, ob ich hinaus kommen werde? Morgen
wird's ihm einfallen, auf den Domthurm zu
ziehen, und er wird es übel nehmen, wenn ich
nicht hinauf klettere und ihn da oben beſuche!
Dabei fällt mir ein, liebe Mutter! daß wir
jetzt unſern Beſuch bei Madame Roſenſtiel nicht
länger verſchieben dürfen — und ich möchte —
obgleich dem Glücklichen keine Uhr ſchlägt —
Dich daran erinnern, uns auf den Weg zu
machen, weil es ein Uhr iſt.“
Dieſer Vorſchlag brachte die alte Dame in
die höchſte Rührigkeit, — ſie ſtand auf, ſuchte
eifrig nach Boa, Mantille und Handſchuhen,
die ſie im Eifer des Geſpräches allmälig abge-
legt hatte, und empfahl ſich mit vielen Com-
plimenten den Anweſenden, nachdem Jenny
noch mit Steinheim verabredet, daß für den
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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