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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Und der starke Mann bebte wie ein schwa-
ches Mädchen, und sprach aus beklommener
Brust: "Ich liebe Jenny Meier, und sah sie
an der Brust ihres Vetters!"

Auch die Pfarrerin fuhr zusammen. "Ar-
mer Sohn", sprach sie, "also ist sie Joseph's
Braut? Und ich glaubte, sie theile Deine Liebe,
die ich lange schon erkannt."

"Sieh Mutter, das ist es! Auch ich habe
an ihre Liebe geglaubt, ich bete sie an, sie ist
der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum
meiner Nächte, und nun!"

Aufs Neue drang seine Mutter in ihn, ihr
genau zu berichten, was vorgefallen sei. Rein-
hard's Erzählung, von den leidenschaftlichsten
Klagen unterbrochen, ließ sie einsehen, daß ih-
res Sohnes Eifersucht der Geliebten Unrecht
gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er
Jenny seine Liebe bekannt habe?

"Niemals!" antwortete er. "Ein mir sonst

Und der ſtarke Mann bebte wie ein ſchwa-
ches Mädchen, und ſprach aus beklommener
Bruſt: „Ich liebe Jenny Meier, und ſah ſie
an der Bruſt ihres Vetters!“

Auch die Pfarrerin fuhr zuſammen. „Ar-
mer Sohn“, ſprach ſie, „alſo iſt ſie Joſeph's
Braut? Und ich glaubte, ſie theile Deine Liebe,
die ich lange ſchon erkannt.“

„Sieh Mutter, das iſt es! Auch ich habe
an ihre Liebe geglaubt, ich bete ſie an, ſie iſt
der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum
meiner Nächte, und nun!“

Aufs Neue drang ſeine Mutter in ihn, ihr
genau zu berichten, was vorgefallen ſei. Rein-
hard's Erzählung, von den leidenſchaftlichſten
Klagen unterbrochen, ließ ſie einſehen, daß ih-
res Sohnes Eiferſucht der Geliebten Unrecht
gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er
Jenny ſeine Liebe bekannt habe?

„Niemals!“ antwortete er. „Ein mir ſonſt

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[174/0186] Und der ſtarke Mann bebte wie ein ſchwa- ches Mädchen, und ſprach aus beklommener Bruſt: „Ich liebe Jenny Meier, und ſah ſie an der Bruſt ihres Vetters!“ Auch die Pfarrerin fuhr zuſammen. „Ar- mer Sohn“, ſprach ſie, „alſo iſt ſie Joſeph's Braut? Und ich glaubte, ſie theile Deine Liebe, die ich lange ſchon erkannt.“ „Sieh Mutter, das iſt es! Auch ich habe an ihre Liebe geglaubt, ich bete ſie an, ſie iſt der Gedanke meiner Tage, der ewige Traum meiner Nächte, und nun!“ Aufs Neue drang ſeine Mutter in ihn, ihr genau zu berichten, was vorgefallen ſei. Rein- hard's Erzählung, von den leidenſchaftlichſten Klagen unterbrochen, ließ ſie einſehen, daß ih- res Sohnes Eiferſucht der Geliebten Unrecht gethan haben mochte. Sie fragte ihn, ob er Jenny ſeine Liebe bekannt habe? „Niemals!“ antwortete er. „Ein mir ſonſt

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/186>, abgerufen am 28.04.2024.