Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite


Keiner hatte den Muth, ihn zu thun. Eduard
hielt es sich als eine Nothwendigkeit vor, Clara
zu verlassen, ehe das Scheiden ihm und ihr noch
schwerer werde, und konnte es doch nicht über
sich gewinnen, ihre Behandlung fremden Hän-
den zu übergeben, die leicht weniger geschickt
und sorgsam sein konnten, als die seinen. We-
nigstens täuschte er sich über seine Unentschlos-
senheit mit dieser scheinbaren Pflichterfüllung. --
Jenny begriff es nicht in liebender Ungeduld,
warum Reinhard zögere, ihr ein Geständniß zu
machen, dessen es kaum noch bedurfte, während
dieser selbst ernst mit sich zu Rathe ging und,
je mehr er sich und Jenny prüfte, um so ängst-
licher über den Erfolg einer Verbindung mit
der Geliebten wurde.

In dieser peinlichen Unruhe vergingen einige
Wochen. Clara's Genesung war so weit vor-
geschritten, daß Eduard nur noch bisweilen das
Hornsche Haus besuchte, um sich nach dem Zu-


Keiner hatte den Muth, ihn zu thun. Eduard
hielt es ſich als eine Nothwendigkeit vor, Clara
zu verlaſſen, ehe das Scheiden ihm und ihr noch
ſchwerer werde, und konnte es doch nicht über
ſich gewinnen, ihre Behandlung fremden Hän-
den zu übergeben, die leicht weniger geſchickt
und ſorgſam ſein konnten, als die ſeinen. We-
nigſtens täuſchte er ſich über ſeine Unentſchloſ-
ſenheit mit dieſer ſcheinbaren Pflichterfüllung. —
Jenny begriff es nicht in liebender Ungeduld,
warum Reinhard zögere, ihr ein Geſtändniß zu
machen, deſſen es kaum noch bedurfte, während
dieſer ſelbſt ernſt mit ſich zu Rathe ging und,
je mehr er ſich und Jenny prüfte, um ſo ängſt-
licher über den Erfolg einer Verbindung mit
der Geliebten wurde.

In dieſer peinlichen Unruhe vergingen einige
Wochen. Clara's Geneſung war ſo weit vor-
geſchritten, daß Eduard nur noch bisweilen das
Hornſche Haus beſuchte, um ſich nach dem Zu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0161" n="149"/><lb/>
Keiner hatte den Muth, ihn zu thun. Eduard<lb/>
hielt es &#x017F;ich als eine Nothwendigkeit vor, Clara<lb/>
zu verla&#x017F;&#x017F;en, ehe das Scheiden ihm und ihr noch<lb/>
&#x017F;chwerer werde, und konnte es doch nicht über<lb/>
&#x017F;ich gewinnen, ihre Behandlung fremden Hän-<lb/>
den zu übergeben, die leicht weniger ge&#x017F;chickt<lb/>
und &#x017F;org&#x017F;am &#x017F;ein konnten, als die &#x017F;einen. We-<lb/>
nig&#x017F;tens täu&#x017F;chte er &#x017F;ich über &#x017F;eine Unent&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit mit die&#x017F;er &#x017F;cheinbaren Pflichterfüllung. &#x2014;<lb/>
Jenny begriff es nicht in liebender Ungeduld,<lb/>
warum Reinhard zögere, ihr ein Ge&#x017F;tändniß zu<lb/>
machen, de&#x017F;&#x017F;en es kaum noch bedurfte, während<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t ern&#x017F;t mit &#x017F;ich zu Rathe ging und,<lb/>
je mehr er &#x017F;ich und Jenny prüfte, um &#x017F;o äng&#x017F;t-<lb/>
licher über den Erfolg einer Verbindung mit<lb/>
der Geliebten wurde.</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;er peinlichen Unruhe vergingen einige<lb/>
Wochen. Clara's Gene&#x017F;ung war &#x017F;o weit vor-<lb/>
ge&#x017F;chritten, daß Eduard nur noch bisweilen das<lb/>
Horn&#x017F;che Haus be&#x017F;uchte, um &#x017F;ich nach dem Zu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0161] Keiner hatte den Muth, ihn zu thun. Eduard hielt es ſich als eine Nothwendigkeit vor, Clara zu verlaſſen, ehe das Scheiden ihm und ihr noch ſchwerer werde, und konnte es doch nicht über ſich gewinnen, ihre Behandlung fremden Hän- den zu übergeben, die leicht weniger geſchickt und ſorgſam ſein konnten, als die ſeinen. We- nigſtens täuſchte er ſich über ſeine Unentſchloſ- ſenheit mit dieſer ſcheinbaren Pflichterfüllung. — Jenny begriff es nicht in liebender Ungeduld, warum Reinhard zögere, ihr ein Geſtändniß zu machen, deſſen es kaum noch bedurfte, während dieſer ſelbſt ernſt mit ſich zu Rathe ging und, je mehr er ſich und Jenny prüfte, um ſo ängſt- licher über den Erfolg einer Verbindung mit der Geliebten wurde. In dieſer peinlichen Unruhe vergingen einige Wochen. Clara's Geneſung war ſo weit vor- geſchritten, daß Eduard nur noch bisweilen das Hornſche Haus beſuchte, um ſich nach dem Zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/161
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/161>, abgerufen am 27.04.2024.