Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

bebte, konnte er es sich nicht versagen, sie leise
zu drücken und zu halten, während sie die er-
sten Stufen der Treppe hinaufstiegen. So hält
man ein Vögelchen fest, das man eben gefan-
gen, weil man sich des Besitzes bewußt werden
will, weil man fürchtet, es könne uns entflie-
hen; aber scheu und leicht, wie ein kleiner
Vogel, machte Jenny ihre Hand frei, ging
eilig die Treppe hinauf und in das Theezim-
mer, wohin Reinhard ihr folgte.

Herr Meier brachte den Abend außer dem
Hause zu; die Damen setzten sich also gleich an
den Theetisch, und wenig Augenblicke später
erschienen die erwarteten Herren.

"Nun, was sagen Sie heute zur Giova-
nolla?" fragte Erlau, sobald er Platz genom-
men hatte. "Sie müssen gestehen, reizender,
verführerischer kann man nicht sein. Ich hätte
nie geglaubt, daß es möglich sei, bei so groß-
artiger Schönheit diesen Eindruck soubretten-

bebte, konnte er es ſich nicht verſagen, ſie leiſe
zu drücken und zu halten, während ſie die er-
ſten Stufen der Treppe hinaufſtiegen. So hält
man ein Vögelchen feſt, das man eben gefan-
gen, weil man ſich des Beſitzes bewußt werden
will, weil man fürchtet, es könne uns entflie-
hen; aber ſcheu und leicht, wie ein kleiner
Vogel, machte Jenny ihre Hand frei, ging
eilig die Treppe hinauf und in das Theezim-
mer, wohin Reinhard ihr folgte.

Herr Meier brachte den Abend außer dem
Hauſe zu; die Damen ſetzten ſich alſo gleich an
den Theetiſch, und wenig Augenblicke ſpäter
erſchienen die erwarteten Herren.

„Nun, was ſagen Sie heute zur Giova-
nolla?“ fragte Erlau, ſobald er Platz genom-
men hatte. „Sie müſſen geſtehen, reizender,
verführeriſcher kann man nicht ſein. Ich hätte
nie geglaubt, daß es möglich ſei, bei ſo groß-
artiger Schönheit dieſen Eindruck ſoubretten-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="91"/>
bebte, konnte er es &#x017F;ich nicht ver&#x017F;agen, &#x017F;ie lei&#x017F;e<lb/>
zu drücken und zu halten, während &#x017F;ie die er-<lb/>
&#x017F;ten Stufen der Treppe hinauf&#x017F;tiegen. So hält<lb/>
man ein Vögelchen fe&#x017F;t, das man eben gefan-<lb/>
gen, weil man &#x017F;ich des Be&#x017F;itzes bewußt werden<lb/>
will, weil man fürchtet, es könne uns entflie-<lb/>
hen; aber &#x017F;cheu und leicht, wie ein kleiner<lb/>
Vogel, machte Jenny ihre Hand frei, ging<lb/>
eilig die Treppe hinauf und in das Theezim-<lb/>
mer, wohin Reinhard ihr folgte.</p><lb/>
        <p>Herr Meier brachte den Abend außer dem<lb/>
Hau&#x017F;e zu; die Damen &#x017F;etzten &#x017F;ich al&#x017F;o gleich an<lb/>
den Theeti&#x017F;ch, und wenig Augenblicke &#x017F;päter<lb/>
er&#x017F;chienen die erwarteten Herren.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, was &#x017F;agen Sie heute zur Giova-<lb/>
nolla?&#x201C; fragte Erlau, &#x017F;obald er Platz genom-<lb/>
men hatte. &#x201E;Sie mü&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;tehen, reizender,<lb/>
verführeri&#x017F;cher kann man nicht &#x017F;ein. Ich hätte<lb/>
nie geglaubt, daß es möglich &#x017F;ei, bei &#x017F;o groß-<lb/>
artiger Schönheit die&#x017F;en Eindruck &#x017F;oubretten-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0103] bebte, konnte er es ſich nicht verſagen, ſie leiſe zu drücken und zu halten, während ſie die er- ſten Stufen der Treppe hinaufſtiegen. So hält man ein Vögelchen feſt, das man eben gefan- gen, weil man ſich des Beſitzes bewußt werden will, weil man fürchtet, es könne uns entflie- hen; aber ſcheu und leicht, wie ein kleiner Vogel, machte Jenny ihre Hand frei, ging eilig die Treppe hinauf und in das Theezim- mer, wohin Reinhard ihr folgte. Herr Meier brachte den Abend außer dem Hauſe zu; die Damen ſetzten ſich alſo gleich an den Theetiſch, und wenig Augenblicke ſpäter erſchienen die erwarteten Herren. „Nun, was ſagen Sie heute zur Giova- nolla?“ fragte Erlau, ſobald er Platz genom- men hatte. „Sie müſſen geſtehen, reizender, verführeriſcher kann man nicht ſein. Ich hätte nie geglaubt, daß es möglich ſei, bei ſo groß- artiger Schönheit dieſen Eindruck ſoubretten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/103
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/103>, abgerufen am 27.11.2024.