Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Berlinerinnen wohlthätig und auch rührig und neugierig sind und bei solchen Anlässen sonst nicht leicht zu fehlen pflegen. Zu sehen und zu hören war dabei freilich nicht viel -- im Sinne einer schaulustigen Gesellschaft. Die Gebäude sind alt und unansehnlich, der Flur und die Treppe, die zu dem Asyle führen, abgenutzt und niedrig; sie führen ja aber auch zu keinem Vergnügungsorte! Den Frauen, die hier Zuflucht suchen, genügt es, unter Dach und Fach zu sein; und die ganze Einweihung ging denn auch in phrasenloser, erquicklicher Einfachheit von Statten. Man nahm den großen wohlgeheizten Raum in Augenschein, in welchem eine Anzahl -- ich meine, es waren einige zwanzig -- eiserne Betten aufgeschlagen waren. Jedes hatte eine Decke über dem Netzwerk, eine andere zur Bedeckung. In einer kleinen Nebenstube standen einige bequemere Betten mit Matratzen und weichen Kissen für kranke Ankömmlinge vorsorglich bereit, und mir gaben die offenbar aus den verschiedensten Haushaltungen stammenden Bettzeuge und Steppdecken zu denken, denn ich sah im Geiste all' den Ueberfluß vor Augen, der sich als "alte Sachen" als "eine wahre Last" in den Häusern aller nur einigermaßen Begüterten unablässig aufstapelt und mit dessen bloßer Fortschaffung aus unseren Häusern in die der Armen, noch so wesentlichen Bedürfnissen abgeholfen werden könnte, wenn wir nicht auch dazu oft zu träge und zu achtlos wären. Ein altes, gut aussehendes Ehepaar, das die Aufsicht Berlinerinnen wohlthätig und auch rührig und neugierig sind und bei solchen Anlässen sonst nicht leicht zu fehlen pflegen. Zu sehen und zu hören war dabei freilich nicht viel — im Sinne einer schaulustigen Gesellschaft. Die Gebäude sind alt und unansehnlich, der Flur und die Treppe, die zu dem Asyle führen, abgenutzt und niedrig; sie führen ja aber auch zu keinem Vergnügungsorte! Den Frauen, die hier Zuflucht suchen, genügt es, unter Dach und Fach zu sein; und die ganze Einweihung ging denn auch in phrasenloser, erquicklicher Einfachheit von Statten. Man nahm den großen wohlgeheizten Raum in Augenschein, in welchem eine Anzahl — ich meine, es waren einige zwanzig — eiserne Betten aufgeschlagen waren. Jedes hatte eine Decke über dem Netzwerk, eine andere zur Bedeckung. In einer kleinen Nebenstube standen einige bequemere Betten mit Matratzen und weichen Kissen für kranke Ankömmlinge vorsorglich bereit, und mir gaben die offenbar aus den verschiedensten Haushaltungen stammenden Bettzeuge und Steppdecken zu denken, denn ich sah im Geiste all' den Ueberfluß vor Augen, der sich als »alte Sachen« als »eine wahre Last« in den Häusern aller nur einigermaßen Begüterten unablässig aufstapelt und mit dessen bloßer Fortschaffung aus unseren Häusern in die der Armen, noch so wesentlichen Bedürfnissen abgeholfen werden könnte, wenn wir nicht auch dazu oft zu träge und zu achtlos wären. Ein altes, gut aussehendes Ehepaar, das die Aufsicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="71"/> Berlinerinnen wohlthätig und auch rührig und neugierig sind und bei solchen Anlässen sonst nicht leicht zu fehlen pflegen. Zu sehen und zu hören war dabei freilich nicht viel — im Sinne einer schaulustigen Gesellschaft.</p> <p>Die Gebäude sind alt und unansehnlich, der Flur und die Treppe, die zu dem Asyle führen, abgenutzt und niedrig; sie führen ja aber auch zu keinem Vergnügungsorte! Den Frauen, die hier Zuflucht suchen, genügt es, unter Dach und Fach zu sein; und die ganze Einweihung ging denn auch in phrasenloser, erquicklicher Einfachheit von Statten. Man nahm den großen wohlgeheizten Raum in Augenschein, in welchem eine Anzahl — ich meine, es waren einige zwanzig — eiserne Betten aufgeschlagen waren. Jedes hatte eine Decke über dem Netzwerk, eine andere zur Bedeckung. In einer kleinen Nebenstube standen einige bequemere Betten mit Matratzen und weichen Kissen für kranke Ankömmlinge vorsorglich bereit, und mir gaben die offenbar aus den verschiedensten Haushaltungen stammenden Bettzeuge und Steppdecken zu denken, denn ich sah im Geiste all' den Ueberfluß vor Augen, der sich als »alte Sachen« als »eine wahre Last« in den Häusern aller nur einigermaßen Begüterten unablässig aufstapelt und mit dessen bloßer Fortschaffung aus unseren Häusern in die der Armen, noch so wesentlichen Bedürfnissen abgeholfen werden könnte, wenn wir nicht auch dazu oft zu träge und zu achtlos wären.</p> <p>Ein altes, gut aussehendes Ehepaar, das die Aufsicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0081]
Berlinerinnen wohlthätig und auch rührig und neugierig sind und bei solchen Anlässen sonst nicht leicht zu fehlen pflegen. Zu sehen und zu hören war dabei freilich nicht viel — im Sinne einer schaulustigen Gesellschaft.
Die Gebäude sind alt und unansehnlich, der Flur und die Treppe, die zu dem Asyle führen, abgenutzt und niedrig; sie führen ja aber auch zu keinem Vergnügungsorte! Den Frauen, die hier Zuflucht suchen, genügt es, unter Dach und Fach zu sein; und die ganze Einweihung ging denn auch in phrasenloser, erquicklicher Einfachheit von Statten. Man nahm den großen wohlgeheizten Raum in Augenschein, in welchem eine Anzahl — ich meine, es waren einige zwanzig — eiserne Betten aufgeschlagen waren. Jedes hatte eine Decke über dem Netzwerk, eine andere zur Bedeckung. In einer kleinen Nebenstube standen einige bequemere Betten mit Matratzen und weichen Kissen für kranke Ankömmlinge vorsorglich bereit, und mir gaben die offenbar aus den verschiedensten Haushaltungen stammenden Bettzeuge und Steppdecken zu denken, denn ich sah im Geiste all' den Ueberfluß vor Augen, der sich als »alte Sachen« als »eine wahre Last« in den Häusern aller nur einigermaßen Begüterten unablässig aufstapelt und mit dessen bloßer Fortschaffung aus unseren Häusern in die der Armen, noch so wesentlichen Bedürfnissen abgeholfen werden könnte, wenn wir nicht auch dazu oft zu träge und zu achtlos wären.
Ein altes, gut aussehendes Ehepaar, das die Aufsicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/81 |
Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/81>, abgerufen am 03.07.2024. |