Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Man hält die geistigen Anlagen der Frauen für weniger groß, als die der Männer, und wir werden behandelt, als wären wir lauter Genies, und obenein, als fände das Genie ohne Mühe, ohne Fleiß und ohne ordentlichen Unterricht seinen Weg. Behandelt uns wie Männer, damit wir tüchtige Frauen werden können -- und -- dies kann ich aus Erfahrung betheuern, wir werden demüthiger werden, wenn wir ermessen können, welche Arbeit für den Mann dazu gehört, einer Familie das Brod zu schaffen, und wenn wir so viel, nur so viel wirkliches Wissen in uns aufgenommen haben werden, daß es uns nicht wie bis jetzt gleich ganz und gar verschwindet, sobald die Sorge für das Haus und für das Wohlbefinden der Familie an uns herantritt. Sind denn die Gelehrten, die Beamten, sind denn die gebildeten Männer alle, die einen Beruf in der Welt erfüllen, schlechte Gatten? unzärtliche Väter? üble Haushalter? unordentlich und unhäuslich? Und es sollte für uns allein unmöglich sein, den einfachen Beruf in unseren Familien zu erfüllen, wenn wir die Bildung erhielten, die jetzt kaum noch einem Manne fehlt? - Es hat noch Zeit mit der Frauen-Universität; aber Realschulen haben wir zu fordern -- da wir Steuern zahlen wie die Männer -- und wir müssen anfangen, sie zu fordern, und nicht aufhören, sie zu fordern, bis wir sie erlangen. Man hält die geistigen Anlagen der Frauen für weniger groß, als die der Männer, und wir werden behandelt, als wären wir lauter Genies, und obenein, als fände das Genie ohne Mühe, ohne Fleiß und ohne ordentlichen Unterricht seinen Weg. Behandelt uns wie Männer, damit wir tüchtige Frauen werden können — und — dies kann ich aus Erfahrung betheuern, wir werden demüthiger werden, wenn wir ermessen können, welche Arbeit für den Mann dazu gehört, einer Familie das Brod zu schaffen, und wenn wir so viel, nur so viel wirkliches Wissen in uns aufgenommen haben werden, daß es uns nicht wie bis jetzt gleich ganz und gar verschwindet, sobald die Sorge für das Haus und für das Wohlbefinden der Familie an uns herantritt. Sind denn die Gelehrten, die Beamten, sind denn die gebildeten Männer alle, die einen Beruf in der Welt erfüllen, schlechte Gatten? unzärtliche Väter? üble Haushalter? unordentlich und unhäuslich? Und es sollte für uns allein unmöglich sein, den einfachen Beruf in unseren Familien zu erfüllen, wenn wir die Bildung erhielten, die jetzt kaum noch einem Manne fehlt? – Es hat noch Zeit mit der Frauen-Universität; aber Realschulen haben wir zu fordern — da wir Steuern zahlen wie die Männer — und wir müssen anfangen, sie zu fordern, und nicht aufhören, sie zu fordern, bis wir sie erlangen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="68"/> Man hält die geistigen Anlagen der Frauen für weniger groß, als die der Männer, und wir werden behandelt, als wären wir lauter Genies, und obenein, als fände das Genie ohne Mühe, ohne Fleiß und ohne ordentlichen Unterricht seinen Weg. <hi rendition="#g">Behandelt uns wie Männer, damit wir tüchtige Frauen werden können</hi> — und — dies kann ich aus Erfahrung betheuern, wir werden demüthiger werden, wenn wir ermessen können, welche Arbeit für den Mann dazu gehört, einer Familie das Brod zu schaffen, und wenn wir so viel, nur so viel wirkliches Wissen in uns aufgenommen haben werden, daß es uns nicht wie bis jetzt gleich ganz und gar verschwindet, sobald die Sorge für das Haus und für das Wohlbefinden der Familie an uns herantritt. Sind denn die Gelehrten, die Beamten, sind denn die gebildeten Männer alle, die einen Beruf in der Welt erfüllen, schlechte Gatten? unzärtliche Väter? üble Haushalter? unordentlich und unhäuslich? Und es sollte für uns allein unmöglich sein, den einfachen Beruf in unseren Familien zu erfüllen, wenn wir die Bildung erhielten, die jetzt kaum noch einem Manne fehlt? –</p> <p>Es hat noch Zeit mit der Frauen-Universität; aber Realschulen haben wir zu fordern — da wir Steuern zahlen wie die Männer — und wir müssen anfangen, sie zu fordern, und nicht aufhören, sie zu fordern, bis wir sie erlangen.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
Man hält die geistigen Anlagen der Frauen für weniger groß, als die der Männer, und wir werden behandelt, als wären wir lauter Genies, und obenein, als fände das Genie ohne Mühe, ohne Fleiß und ohne ordentlichen Unterricht seinen Weg. Behandelt uns wie Männer, damit wir tüchtige Frauen werden können — und — dies kann ich aus Erfahrung betheuern, wir werden demüthiger werden, wenn wir ermessen können, welche Arbeit für den Mann dazu gehört, einer Familie das Brod zu schaffen, und wenn wir so viel, nur so viel wirkliches Wissen in uns aufgenommen haben werden, daß es uns nicht wie bis jetzt gleich ganz und gar verschwindet, sobald die Sorge für das Haus und für das Wohlbefinden der Familie an uns herantritt. Sind denn die Gelehrten, die Beamten, sind denn die gebildeten Männer alle, die einen Beruf in der Welt erfüllen, schlechte Gatten? unzärtliche Väter? üble Haushalter? unordentlich und unhäuslich? Und es sollte für uns allein unmöglich sein, den einfachen Beruf in unseren Familien zu erfüllen, wenn wir die Bildung erhielten, die jetzt kaum noch einem Manne fehlt? –
Es hat noch Zeit mit der Frauen-Universität; aber Realschulen haben wir zu fordern — da wir Steuern zahlen wie die Männer — und wir müssen anfangen, sie zu fordern, und nicht aufhören, sie zu fordern, bis wir sie erlangen.
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/78>, abgerufen am 23.07.2024. |