Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.bei, und wir kommen aus den Schulen, wie man von einem der Diners mit fünfzehn Gängen aufsteht: überfüttert und im Grunde doch nicht satt; voll Einbildungen, voll Selbstüberschätzung und mit einem wahren Schrecken über unsere Unwissenheit, wenn eines schönen Tages die harte Wirklichkeit der Lebensnoth an uns herantritt und uns mit ihrem blassen, ernsten Antlitz zuruft: Mein elegantes Fräulein! Meine reizende Salon-Erscheinung! Hilf dir jetzt einmal gefälligst durch das Leben und durch die Welt! Wer wirklich ein Befreier des weiblichen Geschlechts werden will, muß daher vor Allem dazu thun, es von seiner unheilbaren Sonderstellung zu erlösen. -- Der Schneider klagt: kein Frauenzimmer kann ein solides Knopfloch machen! -- Natürlich! ein Frauenzimmer lernt in sechszehn Stunden schneidern; der Schneiderlehrling hat eine Lehrzeit von drei Jahren. -- Die Kritik sagt: Gründlichkeit ist nicht der Frauen Sache! -- und selbst mein eigener Mann sagt mir hundertmal: auf Deine Jahreszahlen und Thatsachen verlasse Dich lieber nicht, sondern sieh immer gründlich nach! -- Und Alle, die uns diese Fehler vorwerfen, und wir Alle, die der Masse der sogenannten guten Hausfrauen kleinliche Vorurtheile, schwere Zugänglichkeit für bessere Einsichten und Gott weiß es, welche Schwächen vorwerfen -- haben Alle Recht. Aber die Frauen sind an ihrer Oberflächlichkeit nicht schuld. bei, und wir kommen aus den Schulen, wie man von einem der Diners mit fünfzehn Gängen aufsteht: überfüttert und im Grunde doch nicht satt; voll Einbildungen, voll Selbstüberschätzung und mit einem wahren Schrecken über unsere Unwissenheit, wenn eines schönen Tages die harte Wirklichkeit der Lebensnoth an uns herantritt und uns mit ihrem blassen, ernsten Antlitz zuruft: Mein elegantes Fräulein! Meine reizende Salon-Erscheinung! Hilf dir jetzt einmal gefälligst durch das Leben und durch die Welt! Wer wirklich ein Befreier des weiblichen Geschlechts werden will, muß daher vor Allem dazu thun, es von seiner unheilbaren Sonderstellung zu erlösen. — Der Schneider klagt: kein Frauenzimmer kann ein solides Knopfloch machen! — Natürlich! ein Frauenzimmer lernt in sechszehn Stunden schneidern; der Schneiderlehrling hat eine Lehrzeit von drei Jahren. — Die Kritik sagt: Gründlichkeit ist nicht der Frauen Sache! — und selbst mein eigener Mann sagt mir hundertmal: auf Deine Jahreszahlen und Thatsachen verlasse Dich lieber nicht, sondern sieh immer gründlich nach! — Und Alle, die uns diese Fehler vorwerfen, und wir Alle, die der Masse der sogenannten guten Hausfrauen kleinliche Vorurtheile, schwere Zugänglichkeit für bessere Einsichten und Gott weiß es, welche Schwächen vorwerfen — haben Alle Recht. Aber die Frauen sind an ihrer Oberflächlichkeit nicht schuld. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="67"/> bei, und wir kommen aus den Schulen, wie man von einem der Diners mit fünfzehn Gängen aufsteht: überfüttert und im Grunde doch nicht satt; voll Einbildungen, voll Selbstüberschätzung und mit einem wahren Schrecken über unsere Unwissenheit, wenn eines schönen Tages die harte Wirklichkeit der Lebensnoth an uns herantritt und uns mit ihrem blassen, ernsten Antlitz zuruft: Mein elegantes Fräulein! Meine reizende Salon-Erscheinung! Hilf dir jetzt einmal gefälligst durch das Leben und durch die Welt!</p> <p>Wer wirklich ein Befreier des weiblichen Geschlechts werden will, muß daher vor Allem dazu thun, es von seiner unheilbaren Sonderstellung zu erlösen. — Der Schneider klagt: kein Frauenzimmer kann ein solides Knopfloch machen! — Natürlich! ein Frauenzimmer lernt in sechszehn Stunden schneidern; der Schneiderlehrling hat eine Lehrzeit von drei Jahren. — Die Kritik sagt: Gründlichkeit ist nicht der Frauen Sache! — und selbst mein eigener Mann sagt mir hundertmal: auf Deine Jahreszahlen und Thatsachen verlasse Dich lieber nicht, sondern sieh immer gründlich nach! — Und Alle, die uns diese Fehler vorwerfen, und wir Alle, die der Masse der sogenannten guten Hausfrauen kleinliche Vorurtheile, schwere Zugänglichkeit für bessere Einsichten und Gott weiß es, welche Schwächen vorwerfen — haben Alle Recht. Aber die Frauen sind an ihrer Oberflächlichkeit nicht schuld.</p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0077]
bei, und wir kommen aus den Schulen, wie man von einem der Diners mit fünfzehn Gängen aufsteht: überfüttert und im Grunde doch nicht satt; voll Einbildungen, voll Selbstüberschätzung und mit einem wahren Schrecken über unsere Unwissenheit, wenn eines schönen Tages die harte Wirklichkeit der Lebensnoth an uns herantritt und uns mit ihrem blassen, ernsten Antlitz zuruft: Mein elegantes Fräulein! Meine reizende Salon-Erscheinung! Hilf dir jetzt einmal gefälligst durch das Leben und durch die Welt!
Wer wirklich ein Befreier des weiblichen Geschlechts werden will, muß daher vor Allem dazu thun, es von seiner unheilbaren Sonderstellung zu erlösen. — Der Schneider klagt: kein Frauenzimmer kann ein solides Knopfloch machen! — Natürlich! ein Frauenzimmer lernt in sechszehn Stunden schneidern; der Schneiderlehrling hat eine Lehrzeit von drei Jahren. — Die Kritik sagt: Gründlichkeit ist nicht der Frauen Sache! — und selbst mein eigener Mann sagt mir hundertmal: auf Deine Jahreszahlen und Thatsachen verlasse Dich lieber nicht, sondern sieh immer gründlich nach! — Und Alle, die uns diese Fehler vorwerfen, und wir Alle, die der Masse der sogenannten guten Hausfrauen kleinliche Vorurtheile, schwere Zugänglichkeit für bessere Einsichten und Gott weiß es, welche Schwächen vorwerfen — haben Alle Recht. Aber die Frauen sind an ihrer Oberflächlichkeit nicht schuld.
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